Sarria - Portomarin

685,26 km

Die 3 Poeten schreiten voran

Gäääähhhhn...
Schnell mal checken ob ich irgendwo Bisse habe...
Puhhhhhhhh!!!!
Unversehrt und unangeknabbert!
Was man echt für eine Pschose aus so einer Sache ziehen kann ist bewundernswert.
Ich bin mal gespannt, ob ich nochmal jemals in ein Hotelbett steigen kann, ohne es vorher nach Indizien für Bettwanzen zu inspizieren ;)

Heute sollte wieder recht easy werden, da nur ca 24 km auf dem Plan stehen.
Man hat einfach mittlerweile das Gefühl, das man 10 Jahre weiter laufen könnte, ohne das einen etwas aufhalten kann.
Anfänglich mit 10-15 km problemlosen wanderns, dann 20-25 km und nun weiß man das man auch 30-35 km rockt, ohne großartig in die Knie zu gehen.
Man wird automatisch zu einer Wandermaschine der Extraklasse ;)

Die Strecken insgesamt würde ich auf 3 unterschiedliche Etappen zusammenfassen.
Angefangen von Frankreich, sind die ersten 200-300 km viel Berge und die Lanschaft wirkt teilweise wie in Deutschland.
Satte grüne Wälder, Täler und Bäche, viele Felder wo unterschiedlichstes angebaut wird.
Für mich die schönste Ettappe gewesen, da man viel Abwechslung visuell geboten bekam.
Zudem war es oftmals ein Highlight, wenn man auf die zum Teil kleinen Dörfer zugelaufen ist.
Viele lagen in Tälern oder auf kleinen Anhöhen.
Bei den letzten 2-3 km sah man immer als erstes die Kirchturmspitze und mit jedem Meter den man näher kam, deckte sich dann das Dorf pö a pö auf.

Zudem war fast immer genau in der Mitte einer Tagesetappe ein Schmuckstück zum Mitagessen, wo sich alle trafen und jeder Ort für sich eine eigene charmante Magie hatte ;)

Die zweite Etappe war mehr von Eintönigkeit geprägt.
Teilweise liefst du 17 km am Stück einem Parallelweg zur Landstraße mit ständig gleichbleibenden Vegetationen.
Sattes Grün war seltener und meist strahlten die goldenen Kornfelder km für km einher.
Da es auch meist nur gerade verlief, kam auch keine Anstiegschallange die mal für ein wenig Abwechslung hätte sorgen können.
Vorteil auf der Etappe ist aber ganz klar, das man viel km machen konnte, da es alles Flachland war.

Und nun sind wir auf der dritten Etappe und seitdem wir Galicien erreicht haben, wird der Kuhdüngergeruch immer präsenter und präsenter.
Es kommen generell viele Dörfer nacheinander im Vergleich  zu den vorigen beiden Etappen.
Die meisten davon sind alle geprägt von Agrawirtschaft.
Teilweise sind die Straßen durch die kleinen Dörfchen mit hunderten Tretmienen von Schafen und Kühen versäht und ich habe das Gefühl das es immer mehr wird umso weiter wir in Galicien einkehren.

So war der Weg heute auch wieder von viel Bauernhoffeeling geprägt.

Mittlerweile ist der Zug der anfänglichen Tage soweit raus, dass wir in der Dreierkonsteellation wirklich stets jede Bar unterwegs mitnehmen.
Ich denke das uns das pro Tag immer zwischen 2-3 Stunden kostet.
Generell bin ich da ja offen für, aber teilweise machten wir alle 2 km Pause und ich hatte das Gefühl das wir garnicht mehr voran kommen.
Letztendlich sind es aber auch die letzten Tage und die kann man ruhig gemütlicher angehen.

Melli war den morgen schon wieder früher als wir gestartet, dafür hatte sie uns aber eine versteckte Abkürzung geschickt, womit wir 2 km gespart hatten.
Wieder eine Pause gut gemacht ;)

Wir trafen sie dann später am Weg in einer Bar.
Irgendwie schien sie generell nicht so gut drauf zu sein.
Sie war ziemlich nachdenklich und auch nicht so kommunikativ wie zu Beginn, als ich sie wiedertraf.

Zunächst gingen wir ein paar km gemeinsam und machten auch noch eine gemeinsame Pause, aber dann suchte sie anscheind nach einem Grund uns verlassen zu müssen.

Wir folgten ihr in ein Souveniershop, der viele süße kleine Schätze bereit hielt und aufeinmal stürmte sie raus und meinte sie müsse jetzt weiter, wir könnten noch da bleiben.

Als wir sagten das wir mitkommen, fädelte sie aufeinmal 1,5 km später bei einer Bar aus und meinte das sie sich hier von uns trenne, weil sie mal Pause machen müsse...

Generell ist ja nichts gegen ein zu wenden, wenn sich einer abkapselt oder Zeit für sich braucht, die Frage ist immer wie man das seinem Gegenüber vermittelt.
Ich kam mir nach den 2 trickreichen versuchen ein wenig veräppelt vor...

Hat ja niemand irgendwen gezwungen gemeinsam zu laufen...

Naja, ich dachte mir dann, das sie vielleicht  einfach nur kaputt war und nicht so viel reden mochte, daher hab ich es so hingenommen und wir 
sind ohne große Verabschiedung weiter gezogen.

Heute überquerten wir dann die magische Marke.
Es war schon komisch wenn man an den Steinen mit der Km-Anzeige vorbei ging und sah das es nurnoch 100 km sind.

Wie ich immer geschrieben habe, spulst du einfach jeden Tag dein Programm ab und dann aufeinmal siehst du, das du es fast geschafft hast.

Jetzt beginnt die wichtige Strecke, damit man den Weg überhaupt anerkannt bekommt.
Sollte ich hier abbrechen, bekomme ich keine Urkunde, da ich die letzten 100 km nicht gelaufen bin.

Auffällig sind von nun an diese ganzen schick gekleideten Pilgerer, die zum Teil sogar Versace Schals tragen beim wandern.
Die Asiaten mit ihren Kameras.
Die Menschenpulke die teilweise auf der Strecke lauern um Fotos von irgendwelchen Statuen zu machen.
Die Busse die ganze Schwärme von ihnen aussetzen..

Danni erzählte mir dann, dass es die jenigen welche sind ...
Ich fragte , wer ?
„Die Tourigrinos“ ;))

Uiiii, da waren sie also...

Für jeden der den Jakobsweg irgendwann gehen möchte, der sei vorgewarnt.
Wie Heuschreckenschwärme kommen sie und mit der Stille auf dem Camino ist es von einer auf die andere Sekunde vorbei ;)

Zum Glück sind die meistens ziemlich langsam unterwegs und so sind die Schwadronen meist schnell überholt und man hat wieder ein wenig Ruhe, bis der nächste Pilonenlauf beginnt...

Gegen Nachmittag sind wir dann am Ziel angekommen und Simon hat in dem Apartment angerufen, was wir 3 zusammen gebucht haben.
Für jeden 30 Euro und richtig schön eingerichtet.
Wir waren uns schnell einig das wir das buchen und gemeinsam bei Speis und Trank den Abend auf der Terrasse genießen werden.

Der Hausherr konnte sogar deutsch und er hat dann beschrieben, wie wir am besten zu dem
Apartment kommen.

Der Einmarsch in die Stadt war richtig toll.
Hinweg über eine riesige Brücke, von wo man auf einen riesigen Fluss schaut.
Leider war der gerade ausgetrocknet und ich war richtig froh, das ich doch nicht das teuere Hotel mit angeblichen Wasserblick auf den Fluss gebucht habe ;)

Im Apartment angekommen, empfing uns ein echt sympathischer Spanier, welcher 10 Jahre in Deutschland gelebt hatte und wirklich noch super deutsch sprach.

Er erklärte uns das das Haus neu ausgebaut wurde und quasi ihr Wochenendhäusschen sei.
Wir wären die ersten Gäste die oben in der Wohnung schlafen.

Vom Garten ging eine Treppe hinauf und wir standen in einer wirklich toll renovierten Wohnung mit 3 Zimmer Küche Bad , sowie nem tollem
Garten hinten dran.

Seine kleine Tochter war dabei und gab uns noch ganz Camino-Like einen Stempel für unser Pilgerheftchen.
Richtig süß als sie dann noch den Papa drauf aufmerksam machte, das wir 3 unbedingt was ins Gästebuch schreiben sollten, wenn wir morgen abreisen.

Der nette Herr zeigte uns noch alles und wir beschlossen heute Abend Pasta Tonno zu kochen und schön Tinto de Verano dazu zu verköstigen.
Für Pilgerstandart ein wares Schlemmerfest ;)

Da ich unbedingt an meinem Tagebuch weiterschreiben wollte, waren die anderen beiden so lieb und haben sich um den Einkauf sowie um die Zubereitung gekümmert.

Ich hatte ja schon ein schlechtes Gewissen, vorallem weil Simon die ganze Zeit Spitzen warf, dass ich da liege wie Pascha und sie die ganze Arbeit machen würden.
Ich hab es aber vorher extra gesagt, dass ich unbedingt weiter schreiben muss, weil ich schon wieder mega im Verzug war.
In Deutschland hätte ich das ganz schnell klären könnnen und einfach über Pizza.de Pasta bestellt und schön weiter geschrieben.
Kann ich ja nichts für, das meine Talente da gerade nicht anwendbar waren ;)

Das Essen war aber Hammer und auch der Timto schmeckte dafür das er improvisiert war ,überraschend gut.

Ich muss unbedingt in der Heimat solche Vorräte besorgen.
Abends mit Freunden nen schönen Tinto de Verano, da könnte ich mich dran gewöhnen ...

Irgendwann störte eine riesige Hornisse unsere Harmonie.
Hatte noch nie eine in real gesehen.
Riesig diese Viecher.
Es flog immer wieder unkoordiniert gegen die Hauswand, was die anderen sichtlich nervös machte ;)

Sorry, aber so nen Teil war zwar jetzt auch nicht schön gegen den Kopf zu bekommen, aber nach der Bettwanzenattacke, war das für mich Wattebäuschen nach Elefanten schmeißen ;)

Wir befassten uns noch mit ein paar Recherchearbeit über die Stachellänge und der Gesinnung dieser molligen Wespen und dann war sie auch wieder da.
Die abendliche Müdigkeit vor 00 Uhr ;)

Insgesamt spürte ich, wie ich mich immer mehr an dieses Tageseythmus gewöhne und irgendwie überkommt mich das erste mal ein trauriges Gefühl ,das es bald vorbei ist.
Kein Ärger, jeder unterstützt sich wie er kann, die Menschen sind freundlich, du bist jeden Tag ausgelastet und fällst müde ins Bett, du schaffst richtig was im Laufe des Tages und hast ein Gefühl von stolz in der Brust...
Mensch, langsam sollte ich Ideen sammeln, dieses Gefühl mit nach Hause bringen zu können.
So lange habe ich nicht mehr und es soll nicht alles ruckartig in Deutschland wieder anders sein...

Ich spielte beim einschlafen mit den Gedanken, was ich so machen kann, wenn ich wieder Zuhause bin.
Ich müsste mir unbedingt wieder einen Sport suchen, der mich fesselt.
Fusssbal war meine große Liebe, aber um so älter du wirst umso verletzungsanfälliger wirst du dabei.
Es müsste eine Alternative her...

Ein bisschen Zeit hab ich noch..
Mir wird schon was einfallen ....
Fürs erste fallen mir erstmal die Augen zuuuuu........