Los Arcos - Logrono

166 km

Der nie enden wollende Weg

Nie wieder Herberge!!!!!!

Die Nacht ging ja noch, aber wann die Nacht zu enden hat, entscheidet nicht ein 80jähriger Opa, der um 6Uhr morgens einfach das Licht anmacht, so das alle wach sind!!!

Steht er vor mir und guckt mich an;
„Alles ok bei dir dir mein Freund“?
Ich so; 
„Dein Ernst“?
Er so;
„Genieße den morgen du fröhlicher kleiner Spatz“
Und ging pfeifend zu seiner Matratze!

Man kann ja viel mit mir machen, aber das hätte ich mal um 1Uhr nachts mit ihm machen sollen.

Naja alle waren wach!
Komischerweise war ich der Einzige der gemault hatte!
Alle anderen zogen sich einfach an, als hätten sie das schon öfter erlebt.
Scheint wohl normal in den Herbergen zu sein, das da einer selbstmordversuche startet ;)

Ich packte direkt meinen Rucksack zusammen, ging runter zum Waschraum und freshte mich auf!
Der Schock sass noch ziemlich tief, als ich um 6:15Uhr im Waschraum vorm Spiegel stand ;)

Für 2 Euro gibt es in den Herbergen Frühstück!
Normal verpasse ich immer das Frühstück , das war dann ja nun hier nicht der Fall, daher machte ich mich an den Tisch.

Es ist irre wie fröhlich und fitt die hier bei den anonymen Spaziergängern sind.
Manche anscheinend schon 144 Jahre im Verein ...

Als Melie und ich dann um 7:45Uhr die Herberge verließen, bekam Melie noch vom Herbergsvater ein Abschiedsgeschenk gebastelt.
Ihren Namen mit Blumen und Buen Camino aus Draht zurecht gebogen.
Das muss er schon öfter geübt haben, wenn ihm in der Nebensaison langweilig war.

Ja, war süß, aber ich stand noch unter Schock!

Eins war aber komisch!
Ich war garnicht müde!
Ist das so, wenn man unter Schock steht, dass man keine Müdigkeit mehr spürt?
Muss wohl..

Das einzig gute war wirklich, dass wir um 11Uhr dann schon 10km abgespult hatten!
Besonders wichtig, da heute ganze 28km auf der To do Liste stand!

Dann gerieten wir aber zeitlich ins straucheln..
Auf so einer Etappe ist es schwer die Mitte für die Mittagspause ausfindig zu machen.
Wir hatten uns entschieden eine kleine Rast an einer mobilen Bar zu machen und dann später in Vianna richtig Mittag zu machen.

Mitten am Weg gab es diesmal eine aufgebaute Holzbar wo alle Elektrogeräte mit nem Generator am Auto betrieben wurden.
Dort gönnte ich mir dann ein Sandwich und eine eiskalte Fanta.

Es dauerte nicht mehr lang, bis der Pausentisch des Caminos eine neue Geschichte zu erzählen hatte.

Diesmal von Piet!
Piet kam aus London und war 72 Jahre alt.
Er erinnerte mich mit seinem begen Outtit an Crockodail Dundee, Sonnenbrille auf dem Kopf und anstatt nen Rucksack nur ne kleine Tüte dabei.

Wie sich raus stellte war Piet ein wahrer Lebemnesch gewesen.
Er erzählte uns das er mit Anfang 20 mit 15 Dollar in der Tasche nach Amerika gereist ist:
Wie er am Flughafen falsche Angaben gemacht hatte, damit er überhaupt rein gelassen wurde!
Das er mit Diebstählen sich am Leben gehalten hatte und er Alkohol sowie anderen chemischen Drogen nie abgeneigt war...
Wie er mal in New York , mal in LA oder sonst wo in den Staaten rum sprang....

Mit 55 musste Piet wohl wählen und entweder allem abschwören oder damit rechnen das er nicht mehr lange zu leben hatte!

Er entschied sich radikal alles ein zu stellen und suchte seit dem seine Kraft im reisen und glücklich sein...

Harter Stoff den er so in seinem originalem british akzent style vortrug!
Hart, aber zugleich auch unglaublich faszinierend, was der Mann alles zu erzählen hatte!

Naja, nach endlosen Lebensweisheiten sah ich aufeinmal, das aus der kurzen Pause eine 1,5h Pause wurde!
Wir haben garnicht gemerkt wie die Zeit verstrich...

Nun hieß es aber schnell weiter!
Wir wollten im 5km entfernten Vianna endlich zu Mittag essen.

Der Weg dort hin war richtig Kräfte zehrend.
Ständiges Bergauf, hinunter und wieder hinauf.

Als wir dann um 14 Uhr endlich in Vianna ankamen, hatten wir schon 18km hinter uns und die Füße haben gebrannt wie nie zuvor auf diesem Weg!
Teilweise hab ich echt gedacht nun doch meine erste Blase zu laufen, da ein paar stellen sich ziemlich beansprucht anfühlten.

Das Dorf oder die kleine Stadt, war auf einem Hügel, so das die letzten Meter in der Stadt nochmal richtig auf die letzten Energiereserven gingen.

Völlig erschöpft ließen wir uns in einer belebten Gasse an einem
Restaurant nieder und bestellten das allzeit beliebte Pilgermenü, was man überall auf dem
Camino angeboten bekommt.

Egal wo man ist, es wird für 11-15 Euro eine Vorspeise wie ein gemischter Salat , eine Hauptspeise wie Nudeln oder Fleisch und eine Nachspeise wie Eis zb. angeboten.
Dazu gibts dann immer noch Brot und Wasser , oder Wein in Liter Karaffen.

Wie gesagt bestellten wir und zogen dann schnell die Schuhe aus um die Füße zu entspannen.
Das war das erste mal nach einer Woche , das ich dachte, die explodieren gleich.

Während wir dann da saßen, kam auf einmal Uwe und Daniel wie aus dem nichts an unseren Tisch.
Der Camino führt alle stets zusammen ;)

Daniel hat sich wohl beim bücken einen Hexenschuss geholt, weswegen es für beide nicht mehr weiter ging.
Am Vorabend hatte er noch so viele Witze über Uwes geschundenen Füße gemacht, so das anscheinend das Karma des Caminos ihm heute die passende Antwort dafür lieferte..
Tat mir schon ein wenig leid, da er ein sehr lieber und ruhiger Genosse war.

Da half dann auch nurnoch Galgenhumor und eine vernünftige Mahlzeit.

Wir speisten nochmal mit den beiden und mussten uns dann leider verabschieden.
Viele machten an dem Tag schon frühzeitig in Vianna Feierabend, da Logroño von dort noch 10km entfernt war und viele schon erschöpft waren.
Zu allem übel zog gegen Nachmittag dann noch ein schönes Unwetter auf.
Es regnete, donnerte und Blitze...

Meli spielte mit dem Gedanken auch dort zu bleiben, aber ich hielt ihr vor Augen, das wir uns vorgenommen haben die nächsten Tage was zu schaffen.

Sie erzählte mir, das ihre Eltern wohl eine Pinnadel zuhause auf eine Karte stecken, immer da wo sie im Moment gerade ist.

Da die Pinnadel die ersten Tage recht langsam und nur in mm Abständen gewandert ist, wollte sie endlich mal Meter machen und die Familie damit positiv beeindrucken.

Der Gedanke gefiel mir!
Die fieberten zuhause anscheinend richtig mit..

Ich freute mich noch mehr das ich wusste das sie am Anfang nur 10km pro Tag lief und in 2 Tagen mit mir alleine schon 50km abgespult hat.
Mit morgen wären es dann 78km in 3 Tagen.

Hammer Leistung, dafür das ich sie schleichend und angeschlagen vor 3 Tagen angetroffen hatte...

Wir zogen also unserem Rucksack den Regencape an und uns unsere Regenjacken und dann ging es los.

Mich faszinierte wie sie dann auch mit richtig tollen Elan die ersten 5km voran peitschte.
Nicht wieder zu erkennen das Mädel.
Ob der Camino sie jetzt im Bann hat und gerade um 180grad dreht?

Das Unwetter wurde auf jedenfalls richtig heftig und die Füße fingen trotz der längeren Pause in Vianna dann wieder richtig an zu Pochern.
Im Regen zu wandern macht aber auch Spaß!
Hat irgendwie was lebensromantisches...
Wenn die Regentropfen auf deine kaputze Tropfen und du mitten in der Natur bist.

Die letzten 4 km ging es dann durch Industriegebiete, was nochmal richtig viel
Kraft lies und mit jedem Meter demoralisierte..
Noch nichtmal mehr die Natur blieb uns ...
Im grünen zu laufen ist doch um einiges angenehmer als auf Straßen umringt von Fabriken...

Als meine Füße kurz davor waren, den Selbstzerstörungknopf zu drücken, sahen wir sie!
Die Dame, von der Hape im Buch berichtete!
Bzw. ihre Tochter!!
Eine alte spanische Ladie die in zweiter Generation von ihrer Veranda Stempel für den Pilgerpass vergab.
Gegen eine kleine Spende, stempelt sie den Pass ab und du bekommst ein kleines Erfrischungsgetränk.
War irgenwie kraftvoll der Moment.
Ihr Haus ist vor der Stadt sehr abgelegen und sie sitzt da in einem Schaukelstuhl, während sie spanische Lieder ansummt.

Wir mussten weiter, die Füssseeeee!
Noch 2 km.

Eeeeeendlich angekommen so gegen 17:30Uhr, setzte ich Melie in der nächsten Pilgerherberge ab und verabschiedete mich.
Heute konnte ich nicht noch mal sowas mitmachen.
Ich brauchte ein Zimmer für mich und eine eigene Dusche!
Egal was das kostet!!!

Wir verblieben so, das sie morgen schon früher los läuft und ich sie dann einhole.
So konnte sie nochmal ein wenig was von den Sehenswürdigkeiten mitnehmen und musste nicht mit mir nur die km abspulen!

Mal sehen ob ich sie morgen eingeholt bekomme ;)

Da ich morgen meinen Rucksack wieder vorschicke, muss ich auch schon wieder um halb 8 aufstehen.
Hätte gern mal endlich wieder halb 9 gemacht, aber hopp oder top!
Nach dem heutigen Gewaltmarsch über 28km möchte ich die morgigen 28km nicht nochmal mit Rucksack machen müssen.
Meine Füße sind Platt und tuen selbst beim liegen weh.

Ich werd sie jetzt nochmal schön mit Hirschtalg eincremen und dann beim Hörbuch langsam einschlafen.

Ich habe ein 6Bettzimmer in einem Hostel für mich alleine gemietet.
Sieht lustig aus, so alleine mit 6 Betten!

In Gedanken sind die Betten für meine Liebsten zuhause!


Anekdote des Tages:
28km sind verdammt weit!
Ich freue mich schon auf die Etappen mit 37 ;)