Poblacion de Campos - Calzadilla de la Cueza

389,73 km

Ein Tag im Streichelzoo

Ein neuer Morgen nach einer herrlichen ruhigen Hoterlübernachtung.

Ich frühstückte noch mal genüsslich und verabschiedete mich von der wirklich super herzvollen Inhaberin und ihrem ebendso liebevollen Ehemann.
Beide waren so bemüht und hatten so eine freundliche Ausstrahlung, ich hätte sie am liebsten zum Abschied gedrückt.

Am Vorabend sagte sie noch das ich ein sympathischer Mann sei, weil ich mich immer artig bedankte und viel mit meinen Händen gestekulierte um meine nicht vorhandenen Spanischkenntnisse zu kompensieren.

Es ist schön, wenn man zwar nicht richtig kommunizieren kann, aber durch Lächeln oder Verbeugungen trotzdem Freundlichkeit signalisieren kann.

Nachdem mir die Dame noch eine schnucklig verpackte Seife als Geschenk mit auf den Weg gab, machte ich mich von dannen.

Die Dame erinnerte mich an meine Mama.
Meine Mutter hat auch das Herz am rechten Fleck, aber was mich noch viel mehr an sie erinnerte war, das meine Mama auch immer alles verschenkt was irgendwo rumliegt.
Sie schmeisst nie was weg, weil sie immer drauf wartete irgendwann jemanden das mitgeben zu können.

An Weihnachten gibt es dann auch neben den normalen Geschenken auch immer mal Socken oder Shampoo aus nem 1Euroladen dazu.
Weil meine Mama halt denkt, das man das immer mal gebrauchen kann.

So erinnert mich jetzt die Seife auch gleichzeitig an meine Mama zuhause ;)

Bei der nächsten Herberge holte ich dann Danni ab. Sie stand schon parat und war bereit für die Tagesettappe.
Vorgestern hatte sie noch eine Massage gebucht und war gestern sehr begeistert, das der Schmerz schon besser geworden ist.
Gemeinsam mit den Voltareen Tabletten, spürte sie zwar hier und da noch ein stechen im Knie, aber insgesamt lief es sich schon um einiges leichter.

Da heute eine weitere 30iger Etappe anstand, waren das schonmal gute Nachrichten um halbwegs zeitig die Etappe abschließen zu können.
Als wir los liefen war es schon so 10Uhr.
Wir haben uns beide ziemlich Zeit gelassen mit dem aufstehen und dem Frühstücken, bevor wir uns trafen.

Danni berichtete auch, das sie gerne morgens ein wenig langsamer macht um sich morgen fertig zu machen,die Beine sowie Füße vor zu bereiten und Tasche zu packen.
Wenn man sich den Luxus gönnen mag, dann muss man halt damit leben, das man auch immer 1-2 Stunden später wie die anderen ankommt.

Wie ich die Tage davor ja schon niederschrieb, ist ein späteres ankommen für mich kein Problem.
Lieber ausschlafen und Zeit auf dem Camino verbringen, als 7-8 Stunden in Herbergen oder Hotles abends rum zu hängen.
Die Gespräche auf dem Camino reichten völlig um den Tagesbedarf am Reden zu stillen ;)

Als wir dann also aufbrachen, erzählte Danni von einem kleinen Restaurant/Bar auf dem Weg, wo es freilaufende Esel und Gänsen gab.
Sie wisse nicht genau wo das war, aber das wäre auf der heutigen Strecke.
Sowas liebe ich ja.

Endlich mal wieder ein cooler Ort zum Pause machen, wo die Zeit still steht.

Freudiger Erwartung meisterten wir dann wie immer die ersten km in ca. einer Stunde.
Und da war er auf einmal.
Eine Bar mit einem riesigen Garten, wo schon 2 meckernde Gänsen zu Begrüßung auf uns zu liefen.
Ganz schön erhabene Tierchen, wenn sie Kopf und Schnabel so in die Höhe strecken und dabei mit dir rum meckern ;)

Wir suchten uns einen Tisch, holten uns wie immer eine Fanta und eine Cola, zogen die Schuhe aus und genossen ein wenig die Pause.

Es war ein wenig ärgerlich das das Lokal schon so früh kam.
Zur Halbzeit wäre besser gewesen, da man da natürlich hätte schön Mittagessen können und so eine Stunde verweilen hätte können.

Als wir dann da so saßen, kamen endlich auch die Esel dazu.
Sie waren hinterm Haus, auf dem Feld am rum grasen gewesen.

Genial!
Da sitzt du da und die Tiere laufen 5-6m vor deinen Augen frei im Garten rum.

Einer der Esel zeigte uns dann, warum sie wohl vom Feld nach vorne kamen und ging gemütlich zum Nachbartisch, wo er dann den Amerikanerinnen alles vom Tisch wegfuttern wollte.
Zum Glück waren sie fertig und er stibitzte sich nur ein paar Reste und Verpackungen.

Wir haben uns kaputtgelacht.
Eine von den Amerikanerinnen rannte vom Tisch weg, da sie dem Tier wohl nicht ganz so nah sein wollte.

Nachdem er fast alle Reste vom Tisch genüsslich verdrückt hatte, kam eine Angestellte und scheuchte ihn dann endlich weg.

Seinen Hunger wohl noch nicht gestillt, machte er sich dann auf dem Weg zum Plastikmülleimer.
Gekonnt nahm er den Deckel mit seinem Maul ab und schmiss ihn davon.
Danach mapfte er einfach die ganzen Müll...

Da hat er aber die Rechnung ohne die Sheriffs gemacht.

Beide Gänsen machten einen mega Radau und rannten auf den Esel zu.
Eine hielt den Rücken frei, meckerte laut umher und die andere rannte auf den Esel zu und schnappte die ganze Zeit nach dem Hinterlauf des Esels.
Wirklich gestört hat es ihn nicht und erst als der Besitzer kam und die Gänse am Kopf packte, um sie einige Meter weg zu ziehen, war dann wieder Ruhe.

Alle guten Dinge sind ja bekanntlich 3 und somit besuchte der Esel dann auch unseren Tisch und fraß mein Snickerspapier vom Tisch.
Wieder kam die Dame angerannt und meinte, sei froh das er nicht deine Zigaretten zwischen die Zähne bekommen habe, die liebt er ganz besonders...

Wirklich interessante Genossen hier.

Der Typ hinter der Bar, sah genauso bekifft aus, wie die Dame die 2x einsprang um die Esel davon ab zu halten, Tisch und Stühle auch noch mit auf zu futtern.
Er sang Raggaesongs und lachte sich über alles kaputt und wirkte insgesamt sehr zufrieden mit dem Universum.
Nach nem kurzen Smaltalk erfuhren wir, das er und sie saisonale Arbeiter sind und schon seit 5 Jahren um die ganze Welt Pilgern.
Er wüsste noch nicht wo sein nächstes Ziel ist, aber Amerika oder Thailand würden ihn als nächstes reizen.

Schon interessant, was bunte Vögel diesen Planeten mit uns teilen ;)

Ich hätte noch stundenlang zuschauen können und  dem Treiben folgen können.

Leider waren wir ja zu spät aufgebrochen und daher war keine Zeit mehr, um weitere Episoden von dem Spektakel verfolgen zu können.

Wehmütig ließen wir diese einzigartige Verweilstation also hinter uns.

Nach einigen km kam und dann endlich einer der oft beschriebenenen Schafsherden entgegen.
Als Grieche und Enkel erfolgreicher Schafshirten, schlug mein Herz natürlich riesige Sprünge ;)
Schafe haben in Spanien immer Vorfahrt, da hat jeder zu warten.
So war genug Zeit, ein paar Bilder für die griechische Familie in der Heimat zu schießen ;))

Den Rest des Weges sahen wir dann leider wieder nichts anderes, als km lange eintönige Wanderstrecken, parallel zur Landstraße die die Orte verband.

Die Hitze stieg wieder ab der Mittagsstunde um jeweils 1-2 grad pro Stunde und der Kopf wurde immer weicher und weicher.
Ich war mir nicht ganz sicher, ob in diesem Stadium der Kopf wirklich angestrengt werden sollte und so machte ich mir eines meiner mitgebrachten Hörbücher an.

Der Krieger des Lichts von Paolo Coelho.
Ich hatte das Buch schon vor langer Zeit mal gelesen, aber viel blieb nicht mehr hängen und so wagte ich eine Auffrischung.
Für die es nicht kennen, geht es um einen Jungen, der eine Frau trifft, die ihm sagte, das er auf das Glockenläuten einer Kirche im Meer hören soll.
Jahrelang versucht er es vergebens zu hören, bis er eines Tages aufgibt und weg zieht.
Als erwachsener Mann kommt er wieder und hört aufeinmal doch das Glockenläuten. Indem Moment erscheint ihm die Frau von damals.
Sie sagt ihm, das er ein Krieger des Lichts sei und weil er nicht wusste was das sei, forderte die Frau auf alles mit zu schreiben.
Danach folgt eine Art Handbuch des Kriegers des Lichts und wie der sich so in der Welt zu verhalten hat, wie er auf Konflikte und Herausforderungen zu reagieren hat und welches seine Missionen sind.

Interessanter Weise hatte ich ganz verdrängt, das viele Passagen auch gut aufs Pilgern passen und gerade das nicht aufgeben, an sein Ziel denken, zu meditieren, den Glauben zu finden und auf Schwierigkeiten auf dem Weg zu reagieren, super Denkanstöße für den Jakosbweg sind.

Jeder der irgendwann mal wandern oder Pilgern geht, sollte unbedingt dieses Buch bei sich führen.
Genauso die Menschen, die nicht recht wissen, welchen Motiven sie im Leben folgen sollen, oder nicht wissen welche Entscheidungen die richtigen im Leben sind, werden bestimmt ein paar Zeilen für ihr Leben gebrauchen können.

Eine einfache Anleitung  wie du dein Leben stolz und geradlinig leben kannst.

Das Hörbuch geht 3 Stunden und heute schaffte ich 1,5h bevor mein Kopf dann unter der Hitze zu qualmen  anfing.

Danach stieg ich dann auf einfache Kost um:
„Hape Kerkeling, wieder auf Tour“

Einfach nur ein Genie der Mann!
Ich hab mich Schrott gelacht beim laufen.
Von Horst Schlemmer zu Königin Beatrix, er hat einfach so geniale Rollen, die er auf der Bühne spielt...
Und dann kann er ja auch noch singen, was definitiv ein abwechslungsreiches Programm für Jung und Alt darstellt.

Die letzten 5 km verbrachte ich zwar schwitzend, schmerzend und immer ausgebrannter, aber immerhin mit einem Lächeln auf den Lippen.

Danni, überbrückte die Zeit mit ihrer Lieblingsplaylist spanischer Songs.
Ab und an hörte ich es hinter mir Singen und Summen.
Was zusätzlich für Erheiterung in meinem Kopf sorgte.
Sie dachte ja , ich höre sie nicht, da ich die Kopfhörer drauf hatte ;)

In den kleinen Pausen zwischendurch meckerte auch Danni ganz schön, da langsam die Versen mit den Blasen sich zurückmeldeten und sie auch enttäuscht war, da wir an diesem Abend eine Herberge mit Pool ansteuerten und so spät noch unterwegs waren.

Es wurde später und später und natürlich auf den letzten 1-2 km um 17:30Uhr kühlte es dann auch langsam wieder ab.

Die Chance, was von dem Pool zu haben sank also von Minute zu Minute.

Da Danni ein absoluter Kopfmensch ist, die sich nicht nur Herpes durch angucken eines dreckigen Glases, sondern vermutlich auch ein drittes Auge durch pure Vorstellung im Kopf einfangen könnte, hat sie das Talent, schlechte Dinge sofort zu lokalisieren und eine italienische Sintflut an Flüchen, Beleidigungen und Unmutsbekundungungen aus zu stoßen.

So ruhig und introvertiert sie generell in ihrem Wesen war, so leidenschaftlich konnte sie innerhalb von Sekunden sowas von in Rage „denken“, was wiederum sehr faszinierend war mit zu erleben ;))

Ich bin ja bekanntlich nicht NUR ein schadenfroher Mensch, aber in dem Fall stillte es meinen Humor und ich lauschte den italienischen Ausflüchen ;)

Es ist bemerkenswert, das man Zuhause jemanden sehr schnell als negativ oder als Zicke abtuen würde, wenn jemand einfach mal seine schlechte Laune nach außen trägt, man aber hier einfach weiß, dass es den Umständen der Herausforderungen geschuldet sind.

Man kann sich hier nicht 24h verstellen und Dauergrinsen.
Das würde man garnicht aushalten.
Man erlebt viele Tiefpunkte im Laufe eines Tages, ob es beim aufstehen in einer Herberge, ein ungenießbares Frühstück, schmerzen in Füssen oder Beinen, verschließendes Material, unfreundliche Servicekräfte, nervige Mitpilgerer oder einfach mal nur das eigene Gemüt ist.
Man findet eine Menge Herausforderungen jeden Tag, die man schlucken muss und wo hier und da der Trichter einfach mal randvoll ist.

Ich habe zwar ganz selten bis garnicht diese Momente, aber das ist auch daher geschuldet, das ich viel in Hotels schlafe, viel und gerne Esse, keine großartigen Blessuren bis hier her habe und dann halt auch jemand bin, der immer versucht das Beste in der Situation zu sehen.

Ändern kann man sie ja eh nicht.

Naja, Danni war halt Italienerin und die sind sie wir wissen Weltmeister im Fluchen.
Spiele einfach mal gegen eine italienische Mannschaft Fußball und beobachte deine Gegenspieler.
Selten verläuft da ein Spiel wirklich ruhig und ohne großen Vorkommnisse ;))
Als Schiedsrichter würde ich nach einem Jahr in der italienischen Liga einen Antrag auf Frührente stellen ;)

Gegen 18:30Uhr kamen wir auf jedenfall dann endlich mal an und waren platt wie ne Flunder.

Zu meine Glück sah ich das die Herberge auch 50m weiter ein dazugehöriges Hotel hatte und fragte gleich mal an, ob ich da noch ein Plätzchen für mich bekommen könnte.
Nach dem Tag wäre ein großer Schlafsaal mein absolutes Todesurteil!
Das konnte und wollte ich nicht riskieren ;)

Wie der Camino so wollte, bekam ich noch ein nettes kleines Zimmer, wo ich die Nacht in Ruhe regenerieren konnte.

Danni beharrte wieder auf die Herberge, da sie einfach nur froh über ein Bettchen ist und sich mit den Herbergenterror mittlerweile angefreundet hat.
Bewundernswert die Toleranz mancher Menschen ;)
Da hört sie für mich auf ;)

Nachdem ich geduscht und meine Sachen gewaschen hatte, bin ich dann noch schnell rüber zum Pool und habe heldenmutig mit den letzten Sonnenstrahlen eine Abkühlung genossen.
Ok, mittlerweile war das Wasser eiskalt und ich starb beim eintauchen fast eines Herzinfarktes, aber hey, wie haben wir am Anfang der Reise gelernt?
Alles Kopfsache ;)

Den Beinen und Füßen tat die Kälte merklich gut.
Und so kam dann Danni anschließend nich hinzu und während wir zumindest die Füße noch eine Weile im Wasser baumeln ließen, philosophierten wir 1-2 Stunden über die Reise, was man mit nach Hause nehmen wird und über die anderen Pilger.

Um 21Uhr sind wir dann noch zum kleinen Retaurant im Hotel und haben uns beide eine Pizza bestellt.

Noch nie war ich über eine einfach Tiefkühlpizza so glücklich wie dort.
Wie gesagt gibt es Tage, da kann man das typische Essen nicht mehr sehen.
Und auch wenn eine Tiefkühlpizza mit 9Euro unverschämt teuer ist, freut man sich einfach über die Abwechslung.
Zuhause werde ich erstmal bei meinem Lieblingsitaliener eine riesige Pizza mit allem drauf und extra Käse bestellen ;)

Mit geschundenen Füßen und einer wieder mal intensiven Müdigkeit, knallte ich mich so ins Bett, das jetzt die Weinregale im Keller definitiv anders angeordnet sind ;)

Langsam bekam ich ein schlechtes Gewissen, das ich immer noch nicht Schreiben kann, aber ich bleibe dabei, es geht erstmal darum, seine Mission zu erfüllen und dann das ganze zu manifestieren.

Ich bekomme das schon noch aufgearbeitet ;)

Jetzt erstmal guuuteeeee zzzzzzzzzz

Anekdote des Tages:
Tourette ist ein wohl ein Dialekt aus Italien ;)