Estella - Los Arcos

137,3 km

Auf ein neues Kapitel

Ich glaub es geht schon wieder los....;)

Nach einem Tag Pause, bin ich wieder voll im Camino Fieber.
Ich bin super froh gewesen, gestern mal einen Tag ausgesetzt zu haben und die letzten 5 Tage revue passieren gelassen zu haben.

Nach dem Abschied der Beiden und der wirklich harten Strapazen für Füße und Beine, tat das richtig gut.
Viele laufen erstmal solange sie können um dann hinterher mal ne Pause zu machen, wenn sie es wirklich brauchen.
Ich bin eher ein Verfechter dafür, mal zu pausieren „bevor“ man wirklich nicht mehr kann.
Gerade der Start ist aus meiner Sicht das wichtigste und da kann man am meisten falsch machen.

Jetzt habe ich Energie getankt, dem Körper Zeit zum auftanken gegeben, die Tage nochmal reflektiert und Gedanken zu „Papier“ gebracht.

Beste Vorraussetzungen dafür, ein neues Kapitel ein zu schlagen.

Wie ich ja schon schrieb, habe ich mich dann gestern mit der jungen Dame mit dem Fussproblem wieder getroffen.
Sie heißt übrigens Melanie.

Ich hatte bis 12 geschlafen, hab dann am Blog weiter geschrieben und habe mich dann um 15 Uhr mit ihr getroffen.

Beim Essen haben wir dann weitere Philosophien ausgetauscht, wie man das Projekt Camino am besten angehen sollte.
Am Ende haben wir gesagt, sie gibt am nächsten Tag ihren Rucksack ab und probiert mal den Rucksacktransfer.
Einfach mal ohne 10kg probieren.
Zudem war ich mit ihr in der Apotheke und habe die Voltaren-Tabletten besorgt.

Beim verabschieden habe ich ihr angeboten zusammen zu laufen und sie schaut mal, ob und wie lange sie den Rhythmus mit machen kann.

Sie sehnt sich nach dem Camino-Erlebnis gemeinsam zu laufen, ich bin eh gerade wieder alleine unterwegs, also warum nicht.
Wenn es nicht klappt, muss ich alleine weiter ziehen, aber die Chance wollte ich ihr geben.

Um 20Uhr war ich dann gestern wieder im Bett, habe weiter am Blog geschrieben und ja dann auch schließlich gestern veröffentlicht.

Ich hatte es ehrlich gesagt sehr genossen, so viel Zuspruch aus der Heimat über verschiedene Wege zu erhalten.
An dieser Stelle möchte ich mich nochmal ganz herzlich bedanken!
Das so viele Menschen mir Kraft und Glück wünschen und auch so viele positives Feedback für meine Reisetagebuch übrig hatten, war ein schöner Moment, der mir noch mal ganz viel Kraft im Herzen gegeben hat.

Mein Gott klingt das unmännlich zart, aber
so weit weg von zu Hause, ist das einfach mal Balsam für die Seele!

Also nochmal Danke und ganz liebe Grüße an jeden Einzelnen zurück.

Heute morgen ging es dann wie besprochen um 9 Uhr los.
Ich traf mich mit Melanie am verabredeten Punkt und staunte schonmal das sie wirklich ohne Rucksack auftauchte.
Hat sie also wirklich gemacht.
Zettel ausgefüllt und den Rucksack schonmal vorgeschickt.
Mit den Tabletten einnehmen klappte es noch nicht ganz, das haben wir aber beim nächsten Bäcker , wo ich meinen alltäglichen frisch gepressten Orangensaft bekam, dann nachgeholt.

Das man junge Menschen immer zu ihrem Glück zwingen muss ;)
Gelle Mama ? ;))

Die ersten km gingen wirklich gut voran.
Hätte ich nicht gedacht, das ich mit Melli an der Seite fast die Zeit schaffe, wie mit meinen Vikings.
Aber sie hat sich wirklich toll fokussiert und hat super mitgezogen.

Dachte das irgendwie was kommen würde, wie mein Schnürsenkel ist abgebrochen, oder meine Schuhe verblassen, lauf schonmal vor ;)

Ne ganz im Gegenteil, als wir ab km 5 bis km 10 dann echt mit guten Anstiegen zu kämpfen hatten, lief mir die Suppe und ich hechelte wie ein Seehundbaby was sich am Fisch verschluckte,
sie hingegen lief seelenruhig weiter und grinste vor sich hin.

So haben wir nicht gewettet Fräulein.
Erst pushe ich sie und versuche mit 2-3 Tricks ihr Handicap aus zu schalten und dann steht sie nach 7km neben mir und fragt ob sie die Batterien meines Herzschrittmachers austauschen soll ;)

Ob das wohl ein Trick vom deutschen Sportbund war um mich zu testen?
Nen hinkenden Olympiasieger auf den Jakobsweg zu schicken um Talente zu suchen.
Natürlich sehe ich ziemlich athletisch aus, mit meinen Treckingschuhen, Wanderstöcken und Rucksack am Rücken und dann noch den extrem breiten Schultern nicht zu vergessen.
Das ist schon ein Bild am Camino!

Aber , spätestens als ich sagte das ich Grieche  bin, hätte sie ja merken sollen , das ich mich mehr zu saftigen Steaks hingezogen fühle, als zu ner doofen Medallie, die ja noch nichtmal komplett aus Gold ist ;)

Naja, ich tat erstmal so, als wenn ich ihre Aufgabe am Camino nicht entlarvt hätte...

Dann muss ich eingestehen, hab ich mal einen der wenigen Fehler begangen, die ich manchmal so der Quote halber begehe.
Zu perfekte Menschen mag ja keiner ;))

Ich dachte, wir sind im vorletzten Dorf und laufen noch eins weiter, da können wir dann Mittag machen.
Haben also einen Kiosk vor dem wir standen, gekonnt ignoriert.
Tschüss kalte Cola, Tschüss leckeres Salami Sandwich, ein fettes Tschüss In mein Gesicht hätte ich verdient gehabt ....

Es war schon das letzte Dorf, bevor es dann 12km bis zum Ziel querfeldein ging.
Nichts mehr mit tollem Bistro zum Mittag machen.
Ich hatte mich so drauf gefreut!
Mittag machen ist einer der schönsten Ereignisse am Camino, weil da so viele Eindrück einfliegen und man wirklich richtig toll abschalten kann, nachdem man 10km abgespult hat.

Naja, jetzt war es wieder da, das Gefühl im Hals und im Magen, als ich mit Mama meine Kindergartengruppe verpasste ;)

Kurz nach dem Dorf kam dann ein kleiner schattiger Platz, mit einem leider vertrocknetem Brunnen.
Normal konnte man da Wasser auffüllen, aber kam nichts raus.
Mittlerweile stiegen die Temperaturen wieder auf 26-28 grad und es wurde wieder mächtig heiß.

Joa mal biste der Hund und mal biste der Baum.
Langsam fühlte ich mich wie ein Baum, auf einer Hundegeburtstagsparty zum Bäume anpinkeln. All You can Pi.....
Wo ist der Regenschirm wenn man ihn mal braucht.

Aaaaaaaber der Camino wäre nicht der Camino, wenn sich nicht aufeinmal doch noch nach insgesamt 15km ein Regenschirm sich aufgespannt hätte.

Wie eine Fatamorgana war plötzlich ein kleiner mobiler Kiosk am Feld mit lauter Bänken und schattigen Boxen.

Mitten im nirgenwo.

Ich musste mich erstmal heimlich in der Hose kneifen...

Es war grandios.
Einmal alles was du hast rief ich schon von weitem zu...
Er dachte wohl es sei ein Witz, das Lachen suchte er aber vergeblich in meinem Gesicht...

Er kann wirklich von Glück reden, das die keine Karte aktzeptiert haben, somit lies ich ihm seinen mobilen Kiosk und begnügte mich mit nem Orangensaft, ner kalten Cola, nem Gatorade und nem Hamburger.
Ich denke die pfiffig zusammengestellte Mischung aus Zucker, Flüssigkeit und Ballaststoffen sollte erstmal genügen ;)

Und dann zeigte sich wieder warum ich so gerne Mittag mache.

Alle kamen sie;

-Das ältere Pärchen aus Unna, was wir unterwegs trafen, die immer 4-5 Etappen laufen, zurück mit dem Bus fahren um den Wohnwagen nach zu holen, um ihn dann wieder 4-5 Etappen weiter vor zu fahren und wieder mit dem Bus zurück fahren um weiter zu laufen!
Den Rhythmus ungefähr 4 Wochen lang.

-Die Französin, die aus Paris kam und wir schon morgens am Start beim Bäcker trafen.

- 2 richtig lustige Genossen aus der Nähe von Stuttgart, die wirklich dauerlachten, obwohl einer schon ungelogen 12-13 Blasenpflaster am Fuß hatte und nur noch unter Ibu wirklich weiter laufen konnte!
( Hat Ibu eine Drogengleiche Wirkung bei Überkonsomierung?)

Und noch 2-3 Menschen die einfach nur die Ränge füllten...

Achso, den Verkäufer sollten wir mal mit erwähnen, weil er erzählte mir auf 20m Entfernung zu meinem Platz, irgendetwas auf spanisch , was sich mir nie erschließ.
Obwohl ich stets Englisch mit ihm geredet hatte, gestikulierte und brabbelte er ohne Punkt und Komma, während er erwartungsvoll in meine Augen schaute.

Tjoa, da hab ich ihm alle meine erlernten Spanisch-Kenntnisse der vergangenen Jahre rausgehauen, und habe ihm einfach lächend zu genickt.

War er zufrieden !
Wusste ich doch, das er mich trotz Akzent versteht ;)

Es entwickelten sich tolle Unterhaltungen in deutsch, englisch, gebärdisch oder einfach mal telepathisch...
Viel gelacht und der ein oder andere gönnte sich schon ein Bier, obwohl es normalerweise nicht so üblich war beim laufen....
Uwe und Daniel waren richtig lustig und um so mehr freute es uns dann die beiden, genauso wie die Französin und noch 2 Leute vor der Herberge in Los Arcos Wiederzutreffen.

Ja ihr habt richtig gelesen!
Ich wagte es!
Meine erste Nacht in einer Pilger Herberge...
9 Euro die Nacht!
Mega , dafür das ich sonst 40-80 Euro pro Nacht bezahlt habe ;)

Schnell musste ich die folgenden sich immer ähnelden Regeln verinnerlichen:

- um 22 Uhr ist Sperrstunde!
Danach kommst du nicht mehr rein!
Um 22:30 Uhr geht das Licht aus!

- Geduscht wird in Sammelduschen getrennt Männlein von Weiblein.

- Jeder sucht sich eine Matratze die frei ist und sichert sie mit seinem Rucksack als geblockt.

- Manchmal gibt es eine Küche, wo man gemeinsam, alleine ,oder ein Herbergsvater/Mutter für alle kocht.

- Die meisten stehen schon um 5 Uhr auf und es wird dann ruckartig ab 6 Uhr laut im Heim.

Bestimmt gab es noch mehr , aber das reichte mir schon um Übelkeit zu verspüren ;)

Naja, angekommen war alles ganz cool!
Erstmal bezahlen, dann wurde alles gezeigt.
Wir hatten sogar nen coolen Garten und es gab keine Betten auf den Zimmern , sondern wir bekamen Matratzen auf dem Dachboden zugewiesen.
Ahnend, das das stickig werden konnte, hab ich die auf Höhe eine kleinen Fensters genommen.
So hab ich wenigstens frische Luft.
Einmal die schicke Matratze mit Klimaanalge bitte ;)

Melanie, Uwe, Daniel und ich sind dann gemeinsam nach dem duschen was essen gegangen.
Dort hatten wir dann eine Begnung der dritten Art!
Wie kamen zu einer kleinen Bäckerei, die echt lecker belegte Baguetts hatte!
Da Mellie gerne fotografierte, machte sie schnell ein Bild davon.
Keine 10 Sekunden später kam eine Dame raus geschossen, sie solle sofort die Fotos löschen.
Es war wirklich hinten an der Wand versteckt das man keine Bilder machen soll.

Melli versuchte sie verkrampft zu löschen aber es klappte irgendwie nicht sofort.
Ich begann zu lachen und fragte ob das Geheimagentennahrung sei...
Nuja, ich find mich ja auch nicht immer witzig, aber muss man direkt den Mann raus rufen und dann miteinander fuchtelnd, drohend und fluchend sich vor mir aufbauen?
Also so aggressives Publikum hatte ich schon lange nicht mehr erlebt.
Und das auf dem Camino!
Doofköppe die!
Kulturbanausen!
Nach gefühlten 5 min gestekulierens und meiner vergeblichen Versuche irgendwie deeskalierend auf englisch die Bande zu beruhigen, gab es 2 Optionen!
Ich entschied mich für Lächeln und nicken ;)

Beim Essen haben wir dann noch ein wenig verwundert rum geraten in welches Wespennest wir da gestochen hatten!
Vermutlich keine Lizenz für Sandwich verkaufen oder doch ein Geheimlabor mit Coockierobotern wie bei „ich einfach unverbesserlich“ ?!

Wir werden es nie erfahren, aber war schon hööööchst interessant, das es auch auf dem
Camino Idioten ersten Grades gibt ;)

Nachdem wir noch im Herbergsgarten ein wenig geplaudert haben und das ein oder andere Bier getrunken haben, sind wir dann ins Bett!

Morgen Berichte ich mal, wie es so ist, mit den anonymen Spaziergängern auch in einem Raum zu schlafen ;)

Ich bin jetzt wirklich müde, mache meine Ohrstöpsel rein und hoffe das ich wenigstens bis halb 8 schlafen kann ;)

Anekdote des Tages:
Melanie ist nicht vom deutschen Sportbund, da sie die letzen 3km doch noch rum geweint hat ;)