Reliegos - Leon

466,5 km

Willkommen in der Stadt der Löwen

Ich geb’s auf irgendwas darüber zu schreiben,     

nur soviel, der erste stand um 3Uhr nachts auf und machte sich auf dem Weg.
Der Zweite und Dritte gegen 4:30Uhr.

Um 6:30Uhr war dann das Licht an.

Guten Morgen Herberge!
Mir alles egal, heute gehts in die Stadt der Löwen.
In Leon findet ihr an jeder Häuserecke einen Löwen abgebildet.
Zudem habe ich ein schönes Hotel für 2 Tage gebucht, was direkt an der Kathedrale ist.

Somit war es heute schwer, mein Gemüt zu verdunkeln ;)

Als wir losgingen verspürte Danni starke Schmerzen an den Versen.
Zwar waren die Blasen gestern behandelt, aber dadurch das alles frisch aufgestochen war, brannte es wohl wie Feuer, wenn der Schuh gegen die Verse drückte.

Sie versuchte mehrmals trotzdem weiter zu laufen, aber es war so schlimm, das sie mit dem Gedanken spielte mit dem Bus zu fahren.    
Nach ein wenig Brainstorming, schlug ich dann vor,  die Schuhe aus zu lassen.
Wir liefen ja parallel zur Straße und da könne sie auch auf Socken laufen.

Zunächst unsicher ob sie auf Socken den Camino laufen wollte, war es ihr sichtlich an zu merken, das es viel besser war.
Da ich wusste das wir nicht den ganzen Weg die Chance haben auf der Straße zu laufen, schlug ich dann vor im nächsten Dorf nach Sandalen zu schauen.
Sie ärgerte sich dann darüber, das sie ihre Flip Flops nicht mitgenommen hat.

Bis zum nächsten Dorf waren es 6 km, welche sie ohne Wanderstiefel wunderbar schaffte.
Angekommen in dem kleinen „Städchen“ suchten wir also einen Schuhladen oder ähnliches.

Durch die Hilfe von ein paar Einheimischen, fanden wir schließlich auch einen kleinen Schuhladen, der auch tatsächlich geöffnet hatte.
Viele Läden öffnen und schließen wie sie möchten.
Das erinnerte mich immer ein wenig an den Secondhand Laden einer Freundin, die ähnlich nach befinden öffnet und schließt ;)

Im Laden waren sehr viele 5-10 Euro Schuhe.
Hässliche Pumps mit Panyetten, Billig-Sneakers und ähnlichem.
Eigentlich war der Laden wie ein alter Schuhladen, der über Generationen weiter vererbt wurde, aber das Sortiment war wirklich grausam ;)

Es stellte sich raus, das der Besitzer deutsch kann und viele Jahre in der Nähe von München gelebt hat.
Lustiger Weise hat er wirklich den Laden geerbt und ist dann wegen dem Laden vor 20 Jahren wieder zurück nach Spanien gezogen.

Ich fragte mich nur, wieso man für ein 10Euro Schuhladen zurück nach Spanien geht, aber gut, er meinte er musste das alles übernehmen und fährt trotzdem alle 4 Jahre nach München aufs Oktoberfest um Deutschland immer mal wieder zu sehen.

Schuhe konnte er aber auch nicht so wirklich verkaufen.
Danni fragte nach Sandalen in Größe 36-37, aber er hatte wohl nichts da.
Als wir wieder raus gingen, sagte ich ihr, das so Hotelschlappen es auch tuen würden.
Es geht ja nur darum, was unter den Füßen zu haben, wenn mal keine Straße vorhanden ist und sie auf den steinigen wegen laufen muss.

Nach ein paar skeptischen Blicken ihrerseits, gingen wir wieder rein und sie fragte ihn ob er sowas in der Größe hat.

Die gab es leider nur in 42-43, aber er hätte noch andere offene Schuhe!

Und da kam er dann mit den wunderschönsten offenen Puschis die man sich vorstellen kann.
Weiße Gummi-Plastiksohle, oben blauer Frottee und Verse sowie vorne offen.

Ein Schmuckstück, wo vermutlich alle russischen Damen gefragt hätten, wo sie den schicken Wanderschuh gekauft hat ;)

Nach viel Diskussion und viel falscher Eitelkeit, konnte ich sie überzeugen, das er für unsere Zwecke völlig ausreicht.

Die Scharm war natürlich groß, das die anderen Pilger sie mit diesen Tussipantoffeln sehen könnten.

Ich sagte nur, das die Alternative Bus fahren hieß und da probierte sie ein paar Schritte in den flotten Puschis, bevor sie einwilligte und für ganze 9 Euro diese Juwelen ergattern durfte.

Es war eine wahre Pracht ;)

Als wir das Städtchen hinter uns erlassen haben, kamen wir aus dem Lachen nicht mehr raus.

Gestern schickte sie noch allen in der Heimat ein Foto von ihren wirklich schockierenden Blasen und heute bekamen alle Pilgern in Tussipuschis mit der Überschrift „Aufgeben zählt nicht“ zugeschickt.

Ich hätte so gerne mal die Gesichter der Leute fotografiert, welche sie von unten bis oben anguckten, als verwechsle den Rosenmontagunzug mit dem Camino. ;))

Ich schlug also noch vor eine schöne Luis Vuitton dazu zu besorgen.
In Kombination vermutlich ein Hingucker vor dem Herren ;))

Nachdem wir das „Städtchen“ dann verlassen haben, konnten die Puschis dann ihre Outdoorqualitäten beweisen und ich muss sagen; Schon schlechteres Schuhmaterial auf dem Camino gesehen ;)

Die haben wirklich 20 km auf Stock und Stein überstanden und hatten keinerlei Verschleißspuren.
Auf dem Weg begann Danni sogar die Schuhe zu mögen.
Wie wäre es wohl damit, den restlichen Camino bis Santiago zu laufen und dann an der Kathedrale mit diesen Hinguckern ein zu marschieren ;))

Die letzten 5 km waren wie immer ein wenig schwerer zu absolvieren, vorallem aber weil es kurz vor Leon nochmal schön Bergab geht.
Einerseits für den angeschlagen Muskel von Danni nicht ganz so schön und andererseits mit den Schuhen nicht ganz so einfach zu passieren, ohne der Gefahr ausgesetzt zu sein, aus zu rutschen.

Aber auch diese Hürde wurde erfolgreich gemeistert und entgegengesetzt wie ich dachte, kamen wir noch recht zeitig in Leon gegen 16:30Uhr an.

Bei dem Start und den Anfangsschwierigkeiten dachte ich mir eher so 20Uhr.

In Leon bezog ich dann mein herrliches Zimmer genau gegenüber von der berühmten Kathedrale.
In dem Hotel wurde alles mit Naturstein belassen und mit Holz veredelt.
Ich fühlte mich wirklich pudelwohl.

Mit danni hatte ich abgemacht, gegen 19-20 Uhr vor der Kathedrale zu treffen, damit wir dann nochmal zusammen was essen können.
Sie hatte sich vorgenommen morgen weiter zu gehen, da sie unbedingt zum 01.10 da sein wollte.
Im Gegensatz zu mir hat sie schon den Rückflug gebucht und kann sich keine großen Verzögerungen leisten.
Sie möchte wie viele andere noch mach Finisterre ( Ans Ende der Welt ) und da noch mal 1-2 Tage abspannen, bevor sie nach Hause fliegt.

Leider kann ich darauf keine Rücksicht nehmen, da ich nunmal nicht gekommen bin um es schnellst möglich zu absolvieren, sondern um mich über längerer Zeit in Bewegung zu halten.

Meine Cheatdays sind mir heilig und ich glaube das ich auch genau deswegen bis heute noch immer beschwerdefrei marschieren kann.

Wir haben gesagt, sofern der Camino will , kreuzen sich wie immer die Wege und wenn nicht ist mein Job als motivierende Stütze und ihr Job als Ruheanker an meiner Seite vorbei.

Der Camino entscheidet wer wann wen wo trifft!

Auch in den letzten Tagen haben wir immer wieder die gleichen Gesichter gesehen, wo wir mittlerweile auch immer kleine Anekdoten zu haben.

Die aber jeden Tag alle auf zu führen würde wie gesagt den Rahmen des Blogs sprengen.

Daher erwähne ich lieber nachträglich die Personen, falls Sie noch eine bedeutsame Rolle in meinem Camino spielen.

Ansonsten mach ich ein BestOf Anonymer Spaziergänger am Ende meiner Reise ;))

Wir trafen uns also um 20 Uhr an der Kathedrale und hielten Ausschau nach einem netten kleinen Resturant.
In so Städten macht das ja wirklich Spaß kleine Schätze zu entdecken.
Als wir dann plötzlich Simon entdeckten.

Simon war ein 22Jähriger Jurastudent aus Hamburg.
Danny kannte ihn noch von vorher auf dem Camino und ist auch eine Stück mit ihm gegangen.
Wir trafen ihn vor 2 Tagen unterwegs.
Zunächst beim Mittag, als er kurz zum Tisch kam und einen kleinen Schnack setzte und noch einmal auf dem Weg, als er sich zu uns an eine Bank setzte wo wir eine kleine Pause machten.

Er schien sehr selbstbewusst zu sein und hatte einen harten Schnack für sein Alter auf dem Kasten.
Ich dachte direkt, aus gutem Elternhaus und wenig Geldsorgen..

Als wir ihn dann da in Leon saßen sahen, haben wir ihn gegrüßt und nachdem wir ihm sagten das wir was essen wollten, fragte er ob er sich anschließen darf.
Natürlich war er herzlichst eingeladen uns Gesellschaft zu leisten und so zogen wir durch die kleinen Gassen von Leon.

Leider gab es überall nur das klassische Pilgermenü.
Ich wollte aber unbedingt Pasta.
Als wir etwas fanden, was wenigstens 4 Pastasorten zur Auswahl hatte (Für spanische Verhältnisse schon sehr viel), ließen wir uns dort nieder.
Dort hingesetzt hieß es dann, das es leider kein Essen mehr gibt.
Sehr irritierend, da die Spanier ja eigentlich nicht vor 19-20Uhr essen gehen.

Wir wollten dann wenigstens was trinken, aber leider hatten sie kein Sangria, dafür aber eine andere Version mit Lemon, s
die Simon sehr empfehlen konnte.

In der Tat war das Mega lecker und fast besser als der Klassische.

Nachdem wir dann weiter sind, wollte Simon unbedingt in eine Tapasbar, wo er leckeres auf Quipe entdeckt hatte.
Wir bestellten wieder diesen leckeren Spezialsangria und Simon bestellte sich zwar was zu essen, aber wir wollten noch wo anders gucken.
Nachdem wir aber dann den zweiten Drink fertig hatten, hatten wir plötzlich garkein Hunger mehr.
Es war auch schon fast 22Uhr und wir beschlossen  uns mit einem Drink vor die Kathedrale zu setzen um noch ein wenig zu schnacken.

Was dann folgte war eine legendäre Rhetorikschlacht über die Asylpolitik von Deutschland.

Eigentlich habe ich nur angemerkt, das das nicht nur Deutschland stark beschäftigt, sondern auch Kanadier, Iren, Schweden oder auch Engländer sich sehr viel mit dem Thema auf dem Camino beschäftigten.

Es ist ein Trugschluss, wenn man glaubt das es nur Deutschland wegen Angela betroffen hätte.

Naja, ich teilte ihm mit das ich ziemlich traurig über die Entwicklung in Deutschland bin und mir langsam sorgen mach, das bald ganz Deutschland nurnoch in links oder rechts aufgeteilt ist, welche sich gegenseitig die Köpfe einhauen.

Gefühlt gibt es keine mitte mehr, weil jeder der was gegen die Asylpolitik hat, sofort als Nazi abgestempelt wird.
Ich teilte ihm mit das sich Menschen halt berechtigter Weise sorgen machen, wie das System damit klar kommen will und das diese Leute sofort als rechts eingestuft werden.

Genauso wie zwar fast jeder Afd Politiker rechts ist, aber noch lange nicht jeder Afd Wähler...

Nachdem es eigentlich recht emotionslos anfing, merkte ich sichtlich, wie Sören immer sticheliger wurde.
Bei manchen Punkten habe ich ihn dann garnicht erst ausreden lassen, da mir seine Ansicht zu links war und klang als wenn er einfach nur was gegen jeden der gegen die Asylpolitik ist eine gewisse Abneigung hatte.

Ohne ins Detail zu gehen, wurde daraus ein so emotionaler, verbaler Schlagabtausch, das am Ende er zitternde Hände hatte und meinte das er sowas noch nie erlebt hatte.
Er fühlte sich persönlich durch mich beleidigt und angegangen von mir.

Tja, er kennt mich nicht, wenn es ums diskutieren geht und auchnoch um Themen die mich emotional aufwühlen, dann kann man mit mir schonmal ein Feuerwerk der Emotionen erleben ;)))

Ich habe ihm dann zu verstehen gegeben, das er das nicht persönlich nehmen soll und das ich ihm recht gebe, das man Leute nicht unterbricht.
Ich weiß ja selbst, das ich dazu neige manchmal nicht aussprechen zu lassen.
Aber ich kann auch nicht wirklich was dagegen machen.
Sobald ein Satz schon meines erachtens falsch angefangen wird, brodelt es in mir und ich muss sofort ein Gegenargument raus hauen.
Ich habe dann auch keine Geduld die Poente ab zu warten, da mir das dann zu lange dauert ;)

Dennoch muss ich sagen, das er in manchen Punkten auch zu selbstherrlich argumentiert hat und meine Rede als Stammtischparolen abgetan hat.
Wer mich kennt, weiß das dann mein Killerinstinkt in der Diskussion erst recht geweckt wird ;)

Es dauerte bestimmt ne halbe Stunde bis er sich wieder beruhigte und auch Danni ihm versuchte zu erklären das ich nicht wirklich ihn angegriffen habe, sondern das wir Südländer so argumentieren.

Wenn wir über eine Sache sprechen die uns emotional bewegt, gestikulieren wir wie wild, werden lauter , unterbrechen und wirken insgesamt als wenn wir aufgebracht wären.

Unser Puls ist dabei aber nahezu Standard-Ruhepuls.

Jeder kennt es , wenn südländische ältere Ehepaare lauter miteinander rum schreien und jeder denkt, oh mein Gott die gehen sich gleich an die Gurgel.

Dabei reden sie darüber was er morgen anziehen soll und sie ihm sagt das sein Lieblingshemd noch in der Wäsche ist ;)

Als ich ihn dann wieder aufgebaut habe und er sagte das er kurz davor war weg zu laufen, fragte ich ihn nach seinem Sternzeichen.
Und als er Zwilling sagte musste ich voll lachen.

Ich hatte es ungelogen schon vorher geahnt, weil er mich an einen guten Freund erinnerte.

Dieser Freund hasste es auch unendlich unterbrochen zu werden, ist generell sehr ausgeglichen, aber kann auch bei dem richtigen Gespräch sehr emotional werden, ist genauso wissbegierig und zitiert genauso Statistiken und Foeschungen, liebt Humor und kann stundenlange Monologe führen ;)

Simon erinnerte mich an die 15 Jahre jüngere Version von Arthur ;))

Wir machten danach wieder ein wenig Späßchen, fanden ein Par andere Themen, wo wir dann wieder gleicher Meinung waren und haben uns dann auch wieder lieb gehabt.
Zumindest habe ich das so im Gefühl gehabt ;)

Er sagte das er auch morgen Pause machen würde  und wir sahen Danni an, das sie jetzt auch grübelte.
Ein Tag Pause würde ihren Blasen auf jedenfall gut tuen.
Dem allgemeinen Wohlbefinden ganz zu schweigen.

Wir verabschiedeten uns also und ich tauschte mit Simon die Nummern aus.

Danni wollte uns morgen mitteilen wie sie sich entschieden hat.
Sie müsse drüber nachdenken und mal gucken wie es den Füßen morgen geht.

Ich gab ihr die Gehttofaust und sagte, lass den Camino entscheiden, er hat bis jetzt immer die richtigen Entscheidungen getroffen.
Ansonsten hole ich sie schon wieder ein ;))

Ich ging leicht anwachwippst in mein Hotel und freute mich endlich mal wieder richtig ausschlafen zu können.
Die letzten Tage haben mir viel abverlangt, körperlich wie geistig und ich brauchte unbedingt mal Zeit zum nachdenken...

Es ist für meinen Kopf genau die richtige Phase und ich hoffe jetzt Tag für Tag mehr den großen Durchbruch zu schaffen.

Ich hab da ja auch noch die unwesentlich kleine Challange, das Rauchen auf zu hören und langsam
rennt mir die Zeit weg, das hier zu tuen ;)

Aber eins nachdem anderen.
Man kann nicht alle Probleme gleichzeitig angehen und manch Phasen in den letzten Tagen, waren nicht förderlich genau jetzt auf zu hören.

Ein wenig Zeit hab ich ja noch.

Morgen kann ich dann endlich mal ein paar Tage aufholen, ich hoffe das ich wieder halbwegs aktuell schreiben kann.
Viele hatten sich ja schon gewundert ;)

Herzliche Grüße in die Heimat und Grüße aus der Stadt der Löwen ;)

Anekdote des Tages:
Ich will auch so coole Puschis um den Camino zu rocken ;))