Las Herrerias - Triacastella

642,84 km

Kein Berg ist hoch genug um uns jetzt noch aufzuhalten

Heute ist es so weit.
Hape berichtete von vollen Friedhöfen, welche vielleicht wegen dem Berg gefüllt sind?!
Solch Kommentare machen Mut!
Vorallem wenn man sich das Streckenprofil anschaut, was zum Teil ziemlich steile Anstiege aufzeigt.
Normalerweise kommt der Berg am Ende der Etappe, doch wir waren ja pfiffig genug ihn heute zu Beginn auf den Plan zu setzen.
Ausgeruht, gestärkt und mit Besonnenheit war die Devise, die in der Teambesprechung nochmal jedem ins Bewusstsein gerufen wurde.

Um 9Uhr ging es dann auch los.
Wir wollten eigentlich um 8Uhr starten, aber da es regnete, sind wir erst um 9 Uhr gestartet, als der Regen halbwegs aufhörte.
Bitte nicht heute noch regen dazu.
Die Challange versprach so schon anspruchsvoll genug zu sein.
Matschboden und rutschige Steine mussten jetzt nicht auch noch zusätzlich sein.

Wie gesagt hörte es jetzt erstmal auf.
Nach so 30-40min begann es aber wieder leicht zu regnen.
Ich Granate habe meinem Rucksack wieder vorgeschickt und natürlich nicht meinen Poncho oder meine Regenjacke mit genommen.
Ich lerne auch nicht dazu.
Dadurch das wir aber schön unter Bäumen lang liefen, hielt es sich in Grenzen und als dann alle ihre Ponchos rausholten und es kurz danach wieder aufhörte, schmunzelte ich zufrieden in mich rein.
Mal bist du der Baum und mal bist du der Hund ;)

Nach 4km kam eine Bar und wir beschlossen ein kleines Frühstück zu nehmen.
Herrlicher Ort.
Es war eine Bar mit Herberge von augenscheinlich sehr Alternativen Personen geführt.
Alles hatte so ein wenig von Aussteigerparadies.
Bob Marley Musik, Rastahaaren der Bedienung, Schmuckverkauf, innovatives Frühstück mit selbstgemachten Eistee und kreativen Burgern zum Frühstück...
Es war wie eine eigene kleine Welt mitten auf dem Camino.

Hier und da sieht man so Aussteigerparadiese mit Hippies und ich frage mich immer wieder ob das auch was für mich wäre.

Die Idee hat was und sicherlich hätte ich eine Saison auch bestimmt viel Spaß, aber mein Leben lang oder als Berufung könnte ich mir sowas nicht vorstellen.
Auch hier ereilt einen irgendwann der Alltag und dann verblasst auch hier der anfängliche Freiheitsgedanke.
Zumal ich von der Hand in den Mund leben noch nie als erstrebenswerte Lebensansicht vertrat.

Ich verputzte den leckeren Veggieburger, wovon ich zunächst gar nicht wusste das er Veggie war ;)

Danach gingen wir raus eine rauchen und wer kam da aufeinmal von eine auf die andere Sekunde den Berg hoch gelaufen ?
Dieeee Melli ;)
Nicht die Melli vom anfang der Reise, sondern die Melli aus dem Siegerland, welche fast meine Schwägerin geworden wäre, weil ihr Bruder meiner Schwester einen Heiratsantrag gemacht hatte.
Mit Melli habe ich damals nächtelang in der Heimat über Gott und die Welt philosophiert und sie berichtete mir das sie gerne aus dem Siegerland weg möchte, eine neue Herausforderung sucht und  noch nicht weiß wie, wann und wo...

Ok ganz unerwartet kam sie den Berg dann doch nicht rauf.
Sie schrieb mir schon zu Beginn der Reise, das es verrückt sei, weil sie eigentlich zur selben Zeit den Camino laufen wollte.
Sie konnte aber wohl nicht pünktlich beginnen und plante in Burgos oder Leon einzuscheren.
Letztendlich wurde es Burgos, 4-5 Tage hinter mir.

Krass das sie das alles aufgeholt hatte und jetzt auf einmal vor mir stand.
Wir hatten keinen Kontakt, dass ich hätte ahnen können, dass sie aufeinmal auf meiner Etappe angekommen ist.

Richtig lustig, mitten in Spanien auf dem Camino ein bekanntes Gesicht zu sehen.

Ich rief ein herzlichen laut aus und sie kam lachend auf uns zu.

Welch ein Zufall, das wir auch genau zu der Zeit eine rauchen gingen, als sie vorbei kam.
Sonst hätten wir uns vermutlich verpasst.

Nachdem ersten Schnack, wie es so ergangen ist, beschlossen wir ein paar Meter gemeinsam zu laufen.
Wir 4 zogen dann schließlich gemeinsam los.
Melli erzählte das sie jetzt entgültig den Job gekündigt hat und die Wohnung vorübergehend an die Mama gegeben hat.
Sie war bereit den Schritt zu gehen.
Wohin es genau gehen sollte, wusste sie zwar noch nicht, aber dafür war sie wohl auch hier her aufgebrochen.
Sie wusste auch noch nicht wie lange sie bleibt.
Bis Santiago und dann noch bis Finisterre (Ans Ende der Welt) möchte sie gehen.
Ob sie danach weiter nach Spanien rein fährt oder noch am Camino verweilt, oder ganz wo anders hin reist lässt sie offen.

Auch eine interessante Camino Geschichte, wie ich finde.
So viel unterschiedliche Pilgerer mit so viel unterschiedlichen Gründen des Wanderns.
Sie passte aufjedenfall mit ihrer Mission hier her.

Nach 1/2 km traf sie ein paar von ihren Leuten wieder, mit denen sie erstmal wieder weiter gehen wollte.
Wir trennten uns also wieder und konzentrierten uns auf den Berg, den wir mittlerweile schon zur Hälfte erklommen haben.

Als wir das bemerkten und es uns garnicht so hart vorkam, waren wir für den restlichen Teil gut motiviert.
So meisterten wir den Berg ohne Probleme und mussten hinterher freudig feststellen, das die Panik völlig umsonst war.

Mittlerweile ist es halt auch keine wirklich schwere Belastung für die Beine mehr.
Die haben sich in den 4 Wochen echt prächtig entwickelt und wo das Auge zwar leidet, weil der Anstieg ziemlich hart aussieht, tragen dich deine Beine teilweise schwerelos die Hänge rauf.
Einzig die Pumpe war hier und da ein wenig am keuchen, das konnte man aber mit Temporeduzierung gut regulieren.

Nach 3 Stunden lag das besagte Monster hinter uns und somit hatten wir nun freie Fahrt bis Santiago, ohne weitere Angstetappen.

Langsam ist Endspurt.
Nurnoch 6-7 Tage bis Santiago und die Mission ist erfüllt.
Irgendwie kann man das noch garnicht greifen.
Man ist so im Automatismus das man nicht weiß, ob man sich freuen soll, da das Ziel erreicht ist, oder traurig sein soll, weil alles vorbei ist.

Ich verdrängte die Gedanken also erstmal und lies das alles ganz entspannt auf mich zukommen.

Nach weiteren 5-6 km trafen wir Melli wieder, die gerade wieder Pause machte.
Wie setzten uns zu ihr, gönnten uns ein kleines Mittagessen und gingen anschließend wieder zu viert weiter.
Sie hatte ihren Rucksack zum nächsten Dorf schicken lassen, da es aber erst 13Uhr war, wollte sie dort noch nicht bleiben.
So entschied sie den Rucksack zu holen und mit uns noch ein wenig weiter zu gehen.

Wir schnackten über das geliebte Camino-Thema, wie man zuhause die Dinge ein bisschen bewusster wahrnehmen kann und was einen wirklich zum glücklich sein führt.

So viele Menschen die man hier trifft und alle haben ihre Sichtweisen zu dem Thema.
Irgendwie wird man es auch nicht satt, sondern freut sich stets über jeden neuen Gesprächspartner , da dieser wieder seine ganz eigene Sicht auf die Dinge hat.

Die Zeit verging wie im Flug.
8 km vor unserem Ziel entschied Melli sich dann ab zu Kapseln und in einer Herberge auf dem Weg zu schlafen.
Sie war an dem Tag auch schon wieder über 30 km gegangen, da sie einige Orte vor uns gestartet ist.

Wir mussten also noch weiter und kamen irgendwie nicht wirklich mehr vom
Fleck.
Jede Bar war unsere und wir haben uns insgesamt bestimmt 6-7 Pausen mit jeweils 1-2 Radler gegönnt.
Mittlerweile wurde es immer später und später.
Um 19:30Uhr war es dann endlich nurnoch 1 km und wir freuten uns schon auf die Dusche,
als aufeinemal schwarze Wolken bedrohlich nah kamen.
Wir gingen schneller und hofften, das sie uns verschonen würden.
Genau als wir den Ortseingang unseres Etappenziels erreicht haben, entschied sich der Himmel über uns zusammen zu brechen.
Es trätschte so aus allen Löchern, das man die eigene Hand vor Augen nicht mehr sah.

Wir rannten los um so schnell wie möglich in unserer reservierten Herberge an zu kommen.
Trocken war keiner mehr von uns.

Gestern die Kälte, heute der Regen!
Wir konnten nur krank werden.
Irgendwann kommt der stärkste Körper an seiner Grenzen.

Es war aber trotzdem ganz lustig, wie wir durch das Dorf rannten und wieder mal wie getriebene Schweinchen quiekten..
Ich musste am Ende somit auch erstmal herzhaft lachen ;)

Obwohl wir klitschnass waren, sind wir nach dem einchecken sofort los zum Abendbrot, da es schon sehr spät war und wir ja auch um 22Uhr in der Herberge zurück sein mussten.

Beim Abendessen lernten wir noch einen echt dämlichem deutschen kennen, der wohl eine Kanadierin die Tage vorher kennengelernt hatte und mit ihr gemeinsam zu Abend gegessen hatte.

Wir mussten zu ihnen an den Tisch, da sonst nichts mehr frei war.

Er war 42 und hatte ein grauenvolles Englisch mit tierisch deutschen Dialekt, hatte eine theatralische Betonung im deutschen und dachte wohl auch das er ganz weltbewand sei.
Die Wahrheit war, das man ihm den Ruhrpottcharm sehr wohl anmerkte, den er als Bochumer in sich trug.
Er hielt sich wohl für die schönste Blume im Pott und somit merkten wir sehr schnell, das er uns nicht ganz so sympathisch war.

Seine Begleitung wirkte auch nicht ganz so begeistert und von daher, tat er mir schon fast ein wenig leid, wie er sich vorgaukelte ein ganz toller zu sein.

Nachdem wir bezahlt haben und uns verabschiedeten, sind wir dann in die Herberge zurück.

Viel Abendprogramm blieb uns ja aufgrund der späten Ankunft leider nicht mehr und somit blieb nurnoch die Haia.

Mal sehen was ich morgen wieder berichten kann.
Es bleibt spannend in den Herbergen... ;)

Anekdote des Tages:
Das Siegerland trifft sich am Camino ;)