Zubiri - Pamplona

70,3 km

Willkommen in der Stadt der Stierkämpfer

Heute bin ich mit großer Vorfreudeaufgestanden.
Denn heute geht es nach Pamplona.
Ich weiß, Stierkämpfe und auch das in Pamplona berühmte Stierrennen, wo die Stiere durch die Stadt getrieben werden, ist moralisch nicht diskutabel, dennoch hat diese Stadt eine unglaubliche Schönheit und strahlt unglaublich viel aus.
Es ist wie eine magische Stadt mit bunten Menschen, vor einer Kulisse die auch aus der Feder von Walt Disney stammen könnte.

Ich habe mir also viel versprochen.

Heute habe ich dann beim übernächtigen das volle Pfund abbekommen.
Nachdem ich mich gestern noch artig um 23 Uhr auf mein Zimmer geschlichen hatte, da ich um die Hellhörigkeit wusste, kam das Nachbarpärchen knallend und scheppernd um 00:30Uhr herein stolziert.
Wäre garnicht so schlimm gewesen, wenn sie nicht bis 2:30Uhr dann noch die Wände zum Wackeln gebracht hätten und sie nicht so rum geschrien hätte ;)
Zu allem Überfluss, standen sie um 7 Uhr mit genau dem selben Radau auf, bevor sie dann um 8 Uhr verschwanden.

Die Nacht war also wieder früh vorbei, zumindest früher als geplant und so konnte ich wieder ganz die Zeit nutzen um mich auf meine Etappe vorzubereiten.
(Einmal ausschlafen bitte)

Ich muss ja nicht erwähnen, das auch an diesem Morgen, ich mit meinen 2 neu gewonnen irischen Heldinnen, um 9 Uhr zum weiterlaufen verabredet war...

Die ersten Meter aus Zubiri waren anstrengend, deswegen haben wir 3 auch beschlossen , uns mit unserer Geheimwaffe; Ibu 800, für den Marsch zu pimpen.
Bevor ihr jetzt mit Dopingvorwürfen kommt, solltet ihr dran denken, das es der dritte Tag ist und die Beine und Füße langsam echt sowas von schwer sind, da wird ein wenig körperliches Upgraden wohl erlaubt sein ;)

An dieser Stelle soll ich auch meiner Mama ganz lieben Dank sagen, die uns die Zahl 800 auf den Ibus erst ermöglicht hat ;)

Gestärkt ging es wieder los auf den Camino.
So sagt man hier...
Der Weg ist stets ausgeschildert.
An jeder Kurve seht ihr entweder gelbe Pfeile, gelbe Muscheln Wegweiser, die euch den wegweisen.
Manchmal sind sie auch auf die Straße gemalt oder wurden aufwendig und hübsch in die Straße einbetoniert..

Verlaufen ist also echt schwer auf dem Camino.
Verläufst du dich doch mal, Hupen, Pfeifen oder rufen die Einheimischen dir zu und zeigen die umgehend an, wo du wieder zurück musst.
Unglaublich, wie die auf dich aufpassen und dein Treiben mit viel Herzlichkeit beobachten, begleiten und unterstützen.

Auf dem Weg nach Pamplona haben wir wieder in den ersten 2,5 Stunden die Hälfte der km erreicht.

Mittag haben wir dann in einem wunderschönen Restaurant mit Garten gemacht.
Wenn man drauf zu läuft, sieht man Hühner und Hähne frei zwischen den sitzenden Leuten rum laufen.
Alles wirkte wie ein Restaurant im Streichelzoogehäge.
Das Wetter war wunderschön, der Wind gab die nötige Frische und das Essen war hervorragend.
Die halbe Stunde die wir dort verbrachten, war pure Erholung und wie ein kurzes ausklinken aus der Welt die man sonst so kennt.
Da eine der Hännen aufeinmal Muriel Angriff und diese lauthals angefangen hatte zu schreien, konnten wir den Mittag auch noch mit einer herzlichen Lachattacke abschliessen ;)
Natürlich ist niemandem was passiert, aber die Henne, hatte es wohl auf das Brot in der Hand abgesehen ;)

In der Location konnte man viele Leute näher miterleben.
Alles Pilgerer, mit dem selben Ziel...

Hier fiel mir dann gleich eine 10er Gruppe gemischt aus deutschen Mädels und internationalen Auffeissern auf.
Die Männer aus Italien, England und Amerika, umringt von 5 deutschen und 2 internationalen Damen...
Ich denke ihr kennt das, wenn Männer sehr laut werden, einen Joke nach dem anderen reißen, irgendwann mit gebrochenem Akzent „Ich liebe dich“ nachsprechen wollen und quasi den ganzen Laden mit ihrem Balzverhalten unterhalten.

Irgedwie versaute es mir kurz die Stimmung, weil ich dachte das der Jakobsweg nun wirklich keine Aufreißer Veranstaltung ist und dieses Verhalten eher so an Bulgarien Goldstrand oder Ballermann erinnert.

Da sie ziemlich bald weiter aufbrachen, habe ich dem ganzen keine Bedeutung mehr zugeschoben und dachte mir nur, da bin ich hier bei meinen Mädels besser aufgehoben.
Bevor ich mit Landsleuten in Ballermannstimmung den Camino laufe, laufe ich den Jakobsweg lieber im Handstand.

Während ich die beiden Mädels dann wieder über coole Serien reden hörte , Sons of Anarchy, Narcos oder Vikings, dachte ich mir nur, was ich ein Glück habe, genau diese beiden kennengelernt zu haben.
Es stimmte einfach alles und durch die Gruppe sah ich, was einem neben internationalen Rentnern noch so blühen könnte..

Zufrieden ließ ich das Essen sacken und grinste glücklich in mich rein.

Unterwegs sahen wir immer mal wieder ein spanisches Mädel mit grünen Haaren, welche mit ihrem Hund den Camino 800km läuft.
Der Hund hieß Taco und sollte uns immer mal wieder begegnen.

Schönes Gefühl, wenn sich irgendwann Gewohnheiten in einer völlig fremden Welt entwickeln.

Ich merkte das ich mich dem Weg und den Leuten immer mehr öffne und auch immer mehr Teil des ganzen werde!
Schleichend, aber definitiv steigend...

Einzelne Laufgruppen schreckten mich zwar auch wieder ab, aber im grossen und ganzen taten Sie mir ja nichts und waren somit nur eine kleine negative Randnotiz in meiner Wahrnehmung.

Das Beste kam dann am Ende!
Als wir endlich nach einem weiteren Marsch in Pamplona einliefen.
Zunächst noch unspektakulär über die Hauptstraße, vorbei an Parks, Regierungsgebäuden oder typisch spanischen Städtebildern,
aber dann in die absolut Hammer Altstadt, wo die Gassen und der große Plaza einfach atemberaubend schön sind.

Diese Stadt kann was!
Absolut geiles Flair und mit anderen europäischen Städten nicht zu vergleichen.
Das spiegelte sich dann auch wirklich in den Menschen wieder.
Kreative, verrückte und knallige,aber auch wieder schicke und feinen Menschen.

Als ich mir ein schönes Hotel für 60 Euro sichern konnte, sind wir dann nach einem kleinen Mittagsschläfchen um 18 Uhr zum Plaza und haben da schön gegessen.

Man konnte dem Treiben herrlich zuschauen, aber irgendwann war es uns dann doch zu laut und turbulent.
Wenn man den ganzen Tag den Camino läuft, weiß man Ruhe sehr zu schätzen ;)
So sind wir dann zur Stierkampfarena, was ich so in meinem Leben auch noch nicht gesehen habe und haben uns gegenüber ein nettes kleines ruhiges Restaurant gesucht, wo wir noch 2-3 Drinks nehmen konnten.

Leider konnten wir nicht mehr viel in der Stadt machen, da am nächsten Tag wieder viele Anstiege aufgezeigt waren.
Unsere Beine spürten wir immernoch jede Sekunde und daher hatten wir große Erfurcht, wie sich das auf den nächsten Tag auswirken könnte.

Trotz dieser tollen Stadt, sind wir also wieder um 23 Uhr ins Hotel zum schlafen gegangen.

Diesmal hatte ich auch richtig Glück!
Ein ruhiges und schickes Hotel, in welchem ich mich richtig wohl gefühlt habe.
Wären die anderen beiden nicht gewesen, hätte ich hier schon meine erste Tagespause eingelegt.

Alles in einem bin ich wirklich mit schönen Bildern des Tages eingeschlafen und habe mir geschworen nach Pamplona noch mal wieder zu kommen.

Anekdote des Tages:
Ich sollte mir für die Zukunft mehr magische Städte live anschauen gehen