Es ist unglaublich!
Der Fluch ist
gebrochen!!!
Ich konnte bis 9Uhr
durchschlafen.
In einer
Herberge!!!!!
Wie versprochen waren die
Australier erst um 9Uhr aufgestanden.
Die Mädels sind zwar schon früher
weg, aber haben natürlich mir zu liebe ganz leise gemacht.
Wundervoller Start in den Tag und
nach dem schönen Abend in dem herrlichen Restaurant, eine Kirsche auf der Sahne!
Ich hab mich herzlichst bei der
Familie bedankt, das sie ihr verspreche eingehalten haben und bin dann schnurstracks auf den Camino-Highway um die Gruppe ein zu holen.
Tja, wie das so ist, war alles
perfekt, aaaaber diesmal spürte ich auf den ersten Metern das es sich heute anders laufen lässt.
Mein Schienbein bzw. der Muskel in
meinem
Schienbein zieht bei jedem Schritt
wie ein Krampf...
Uiii, hab ich mein Magnesium
gestern genommen?
Bin ich zu lange durchgelaufen und
hätte doch meinen 5/1 Rythmus beibehalten sollen?
Liegt es am fehlenden
Orangensaft?
Ich versuchte das Problem zu
lokalisieren um es letztendlich ab zu stellen...
Beim nächsten Dorf, was 2km weiter
gelegen war, hab ich dann kurz überlegt ne frühe Pause einzulegen um mal zu frühstücken und bei dem Schmerz zu gucken.
Ne, so früh mach ich keine Pause
und verliere unnötige Zeit.
Ich möchte wie immer nach einer
Stunde 5-6km runter haben.
Also auf die Zähne beißen und
durchziehen..
Hat bei allen
anderen Schmerzen
bis hier hin auch geklappt...
Nach 5km war der Schmerz dann
wirklich verschwunden.
Vermutlich durch die wechselnde
Belastung?!
Vorher war ich auf der Landstraße
bzw. auf Teer geradeaus gegangen und dann kamen die ersten Steigungen querfeldein...
Da werden die Muskeln ja dann ganz
anders belastet und somit verschwand auch, denke ich mein Schmerz.
Als ich den gefühlten 20igsten
steilen Hügel erklimm, fragte ich mich, warum ich so Düsen will.
Wenn ich in Burgos ankomme, habe
ich erstmal einen Tag Pause.
Das Hostel für die nächsten 2
Nächte ist auch schon gebucht und die Mädels würden nicht weglaufen.
Just als ich den Gedanken greifen
konnte, tauchte eine Dame am Hügel vor mir auf, die ich am Vortag schon immer bei unseren Pausen sah.
Sie sah jedesmal ziemlich fertig
aus und kam immer gerade an, wenn wir wieder los machten.
Da ich ja jetzt geübt war,
angeschlagene Leute am Camino mit zu ziehen, suchte ich einfach mal die Unterhaltung.
So verschlossen wie sie am Vortag
wirkte , war sie dann garnicht.
Sie wirkte ein bisschen befreit,
einfach mal Plappern zu können und erwiederte mein Ansprechen mit ganzen Sätzen , sowie einem
Kleinen Witz.
Wenn jemand am Camino alleine sein
will, kommen meistens nur knappe Sätze und stammelnde Worte, gepaart mit krampfhaften Versuchen dabei zu Lächeln.
Da es hier nicht den Anschein
hatte, blieb ich also im Gespräch und fragte wo sie herkam.
Flavia aus Brasilien, stellte sie
sich vor.
Flavia kam aus São Paolo, wo es
anscheinend seriöser und strukturierter als im wilden Rio zuging.
Sie berichtete mir, das sie den
Jakobsweg läuft, weil sie Jahre lang zu viel gearbeitet hat und immer nur gegeben hat, aber nie zurück bekommen hat.
Sie ist Architektin für
Krankenhäuser...
Jetzt überlegt sie was ganz anderes
zu machen.
Ähnlich wie bei Sofie aus Kanada,
sie vertraute mir auch an, das sie als Lehrerin nicht mehr weiter arbeiten wolle und nun ein eigenes Massagestudio aufmachen wolle und dafür extra nach dem
Camino nach Thailand reisen würde,
um das dort zu lernen.
Krasse Veränderungen die alle hier
so im Kopf haben...
Ich muss sagen, das ich
mittlerweile echt viele Burnout-Opfer getroffen habe und weniger die ganz harten Geschichten.
Ich hab von einer Geschichte
gehört, wo eine Frau mit ihrem Sohn den Jakobsweg lief und der Junge dann zu einem älteren Mann ging und bei ihm spielte.
Als der Mann dann den Jungen fragte
, wie er den Weg fände, sagte der Junge, dass er es sehr schön fndet, aber schon ein wenig traurig wäre, weil er und seine Mama den Weg gehen, da der Vater verstorben ist.
Das sind harte
Brocken!!!!!
Und sowas hört man links und rechts
öfter...
Zum Glück habe ich bis jetzt wie
gesagt eher die Arbeitsopfer kennengelernt.
Die anderen Geschichten, sind immer
schwere zu verarbeiten und man macht sich vermutlich auch mehr Gedanken, wie man dann im weiteren Verlauf drauf reagieren soll.
Menschen die Trauer verarbeiten
müssen, sollten vermutlich dies auch in Stille tuen dürfen und da will man dann auch nicht stören.
Mit den Arbeitsopfern ist es aber
echt interessant, das die aus allen Herren Ländern kommen.
Wer hätte gedacht das die Menschen
in Brasilien zu viel im Büro arbeiten, das Leute in Kanada genauso täglich 14 Stunden im
Büro rumhocken..
Man denkt ja immer, das es so ein
deutsches Problem sei.
Die Globalisierung hat also auch
nicht vor den eher relaxten Ländern halt gemacht.
Wenn man das alles so aus
Deutschland beobachtet, denkt man ja , die genießen ihr Leben und sind nicht so doof nur für die Arbeit zu leben..
Die Wirtschaft hat sie alle
gekriegt, egal wo...
Zurück zu Flavia, die mir dann noch
von ihrer Tierliebe berichtete und das sie sogar mal in einem Park
gewohnt hat, wo freilebende Affen rum sprangen.
Ob sie wirklich Park meinte, oder
nen Haus im Zoo, war schwer zu entschlüsseln, da ihr englisch genauso schlecht war, wie meins ;)
Insgesamt wirkte sie recht stark,
was wohl dem Sternzeichen
Skorpion zu zu schreiben war ;))
Dennoch war sie wieder jemand, die
mit Schmerzen im Beinen und Füssen zu kämpfen hat.
Daher liefen wir bei der
Unterhaltung recht gemäßigtes Tempo.
Wir waren aber positiv überrascht,
als wir dann ein Mittagstisch mit den ganzen Pilgerern sahen und wussten, das wir die Halbzeit erreicht hatten.
Für mich hieß das 10 km und für sie
schon 13,5 km, da sie ein Dorf vor Ages gestern gestartet ist.
Die meisten konnten gestern nicht
mehr weiter und haben sich ihrem Schicksal in der schrecklichen Herberge in Ortega ergeben.
Es war auf jedenfall schön zu
sehen, das wir zwar langsam waren, aber durch das quatschten, die Zeit so schnell verging, das man garnicht merkte wie weit man gelaufen ist.
Als wir unser Menü holten und an
unseren Tisch gingen, fragte ich eine deutsche 3er Gruppe ob sie wüssten wie weit es noch wäre.
Als man sich nicht ganz einig
wurde, wollte einer genauer schauen.
Die anderen Beiden wollten diese
Verzögerung aber nicht hinnehmen und sind schon einfach los gestiefelt.
Der ca.2m große Herr mit ziemlich
langen Bart,Pilotenbrille und Kaputzenjacke, war davon nicht irritiert und teilte mir dann mit, das es noch 11km sind.
Anscheinend war er aber froh jemand
anderen deutschen zu treffen und plauderte auch gleich munter weiter.
Er käme ursprünglich aus dem
Münsterland aber nun seit 1992 aus Berlin.
Den Besitzer vom Berghain kennt er
persönlich, die Besitzerin vom schmutzigen Hobby ist seine beste Freundin, mit der er im
Urlaub war, Café Moskau und andere
Projekte in Berlin hat er von den Anfängen an begleitet und hat bei mitgewirkt...
Wem die Sachen nichts sagen, der
wird die Berliner Partyszene nicht so gut kennen ;)
Als ich schmutzige Hobby
hörte,
fragte ich dann ebendso
Freischnautze ob er viel in der Gaycommunity zu tuen habe.
Mein Riecher bestätigte sich dann
auch direkt ;)
Er hieß Christian, ist 49 Jahre
alt, schwul und anscheinend hat er viel mit B und C Promis in Berlin zu tuen.
Eine gefühlte halbe Stunde erzählte
er mir non stop, das er nie Drogen genommen habe, aber dennoch viel in der Partyszene mit gewirkt hat, das er gerade ein neues Büro aufmacht und deswegen gerade Zeit hat den Camino zu gehen und
das er danach noch nach Mexiko wollte.
Kennt ihr das, wenn einer aufeinmal
was sagt, das garnicht passt, als wenn er es aber unbedingt irgendwo rein schieben wollte, damit du es weißt?
Naja, so erfuhr ich mitten zwischen
Berliner Party und Himmalaya-Reisewünschen, das ja viele auf jüngere stehen, aber ihm das ja garnicht so wichtig ist. Er sei eher sexuell abgeneigt, da ja jüngere so unerfahren
seien...
Nunja, danke für die
zwischengeschobene Information ;))
Nach wie gesagt , gefühlten 30min,
verabschiedete er sich freundlich und meinte, wir sehen uns bestimmt wieder.
Ich meinte, sofern der Camino das
möchte ganz bestimmt!
Mal sehen!
Er war auf jeden Fall der bunteste
Vogel den ich bis dahin auf dem Camino kennenlernen durfte.
Hab ich ihm auch genauso gesagt und
gebeten, das er das bitte als Kompliment und nicht als Beleidigung ansehen solle.
Er war auch wirklich sympathisch,
auch wenn mich die Situation mit den schrägen Storys ein wenig überrumpelte.
Lustig war auch, das er Flavia
völlig ignorierte und garnicht erst versuchte auf Englisch zu reden, das sie ihn verstehen konnte.
So saß die Arme ne halbe Stunde
neben mir und musste unserem deutschen Genuschel zuhören, ohne nur ein Wort zu verstehen ;)
Sonst hab ich das immer nur
umgekehrt gesehen.
Männer die an unseren Tisch kamen
und mit den Mädels redeten, aber mich völlig ignorierten.
Kein Blickkontakt und wenn gefragt
wurde woher alle kommen, reichte es, wenn alle Mädels geantwortet haben und dann wurde direkt weiter geplappert, ohne zu mir zu schauen und zu fragen wo ich herkomme.
Daran hatte ich mich aber
mittlerweile auch schon gewöhnt.
Ungewohnt es nun durch einen
schwulen andersrum zu erfahren ;))
Da ja mein Onkel schwul ist und ich
die Schwulenszene mittlerweile wie meine Westentasche kenne, war es irgendwie lustig das ich erst die Lesben kennengelernt habe und nun Christian.
Mich holt die Gaycommunity immer
wieder ein.
Wirke ich vielleicht doch schwul
auf andere ??? ;))))
Nachdem wir fertig gegessen haben,
sind wir dann wieder weiter, plauderten munter vor uns hin und sie erklärte das sie morgen mit dem Bus ein paar Etappen überspringen muss, da sie nur 20 Tage für den ganzen Camino
hat.
Sie fährt wohl vor bis nach Lyon,
wo ich unbedingt ganz bald auch hin will.
Die Stadt soll ja wirklich Hammer
sein.
Heute ist aber erstmal Burgos auf
dem Programm, welches wir dann auch um 15:30Uhr erreichten.
Es war wie ich es mir erhofft
hatte.
Langsam gegangen, den ganzen Weg
getratscht, irgendwann bist du da und weißt, endlich einen Tag Pause .
Wobei ich sagen muss , das mal
wieder die letzten 2 km die Füße kurz vorm explodieren waren.
Ich muss die mir mal unbedingt an
meinem
Cheatday massieren
lassen.
Hab das Gefühl die fallen bald ab
...
Als wir ankamen hab ich gefragt ob
Flavia mit uns heute Abend essen möchte, damit sie nicht so alleine ist.
Sie willigte ein und meinte , das
sie aber erstmal schlafen gehen müsse und ein wenig Energie tanken müsse.
Wir tauschten Facebook Accounts aus
und konnten so alles weitere ausmachen.
Beim Hostel angekommen musste ich
feststellen, dass 2 Zimmer auf mich gebucht waren.
Was hab ich gemacht??
Anscheinend ein Doppelzimmer und
ein Einzezimmer gebucht.
Die Dame rief den Chef und der war
zum Glück ganz hilfsbereit.
Er rief bei booking an, wo der
Operator „Miguel“ mir dann in einem sowas von freundlichen Ton mitteilte, das es garkein Problem sei und man das für 18Euro stornieren könne.
Puhhhh, sonst hätte mich das 80
Euro mehr gekostet.
Schnell mit den Mädels, die
natürlich schon da waren, abgesprochen das wir uns um 19 Uhr treffen und dann ab aufs Zimmer.
Endlich auf dem Zimmer angekommen
hab ich dann auch erstmal ein Schläfchen gemacht.
Als wir Abends dann in die Stadt
gingen, muss ich sagen das Burgos echt schön ist.
Ein paar Besserwisser auf dem Weg
meinten das sie da keine Pause machen würden , da Burgos total hässlich sein soll.
Alleine die alte Kirche, der
Torbogen zur Stadt, oder generell die Altstadt, einfach nur Hammer.
Wir haben Tapas genossen, sind noch
ein wenig spazieren gegangen und haben den abendlichen Spaziergang sehr genossen.
Wenn man mal in der Nähe sein
sollte, einfach mal die Altstadt besuchen, traumhaft...
Flavia haben wir dann verabschiedet
und werden wir vermutlich auch nicht wieder sehen.
Auch solche Begegnungen muss man
mal haben.
Der Tag bzw. das Laufen mit ihr,
war auf jeden Fall sehr angenehm.
Die beiden Irinnen Fiona und den
Geist verabschieden wir dann morgen.
Das ist dann wieder ein wenig
emotionaler, da man ja jetzt auch ein paar Tage zusammen gelaufen ist.
Mein zweiter Abschied also und
wieder ein neues Kapitel ?
Wir werden sehen!
Jetzt erstmal den Tag Pause
genießen und Kräfte auftanken ;)
Habt euch wohl ;)
Anekdote des Tages:
Es gibt mehr homosexuelle, anonyme Spaziergänger auf dem Jakobsweg, als man denkt ;)