Pünktlich um 8 Uhr klingelte
der Wecker.
Wie am Vorabend schon
einmal im Kopf durchgespielt, machte ich mich Abreisefertig, zurrte alles fest und machte mich auf den Weg zum Bahnhof Montpernasse.
Frühstücken wollte ich
lieber am Bahnhof, dann habe ich mehr Zeit was von außerhalb auf zu schnappen.
Mit den eifrigen Damen vom
Vortag, habe ich extra eine tolle Verbindung für 9:48Uhr rausgesucht, damit ich nicht zuuuuu früh aufstehen musste und dennoch zeitig in St. Jean ankomme.
Am Bahnhof angekommen,
machte ich mich mit den Gegebenheiten vertraut, ging nochmal zum Ticketschalter, erkundigte mich, wo ich hin muss und suchte dann das nächste „Bistro“ auf.
Also lass es an dem Vorort
liegen, aber was da Frühstück genannt wurde, bzw. im Bahnhof zum Verzehr angeboten wurde, kostetete entweder 10Euro für nen belegtes Brötchen oder war abgepackt und schmeckte wie nen
Teller Knete...
Zum Glück heitert mich ein
schöner Kakao am Morgen immer sehr auf und daher konnte ich über das Nahrungsproblem drüber weg sehen.
9:15Uhr ging ich noch mal
schnell eine rauchen, um dann um 9:30Uhr zu meinem Gleis auf zu brechen.
Der Herr sagte
:
„Treppe rauf, rechts und
dann geradeaus“
Soviel hat mein Englisch
hergeben, das ich das auch sicher verinnerlichte.
Auf der Anzeige, die ich um
9:15Uhr nochmal betrachtete, stand Halle 3 daneben und kein Gleis.
Gut andere Länder andere
...... ;)
Ich machte mich also
Richtung Halle 3 auf den Weg.
Rollbänder die hunderte
Meter gerade aus gingen , kleine Etappen ohne , wieder welche mit...
Ich dachte mir nur; Gut
versteckt dieses Gleis!
Vermutlich wie bei Harry
Potter. Die Muggel sollen nicht sehen, wie die ganzen Pilgerameisen im Gleis 9 3/4 verschwinden ;)
Nach ca. 10min kam ich
schließlich in besagter Halle 3 am ende dieses schier nie endenden Bahnhofs an und musste verdutzt feststellen, das kein Mensch da war.
Nur Züge , wo aber keiner
einsteigen sollte.
Zumindest haben die Bilder
mir dieses signalisiert.
Geistesgegenwärtig machte
sich ein extrem schlechtes Gefühl in meiner Magengegend breit.
Das die Uhr nur noch 8min
bis zur Abfahrt anzeigte und kein Mensch weit und breit zu sehen war, erinnerte mich vom Gefühl an eine Situation mit meiner Mama, als ich mal vom Kindergarten aus mit der Gruppe in ein
Schwimmbad wollte.
Ich sagte meiner Mama ,
morgen um 10 treffen wir uns da und da um mit der Gruppe schwimmen zu fahren.
Meine Mama fuhr mich mit
dem Fahrrad hin und keiner war dort.
Wir warteten fast ne Stunde
und sind dann wieder nach Hause gefahren.
Am Ende stellte sich raus,
das der Treffpunkt schon um 9uhr morgens war und wir sie verpasst hatten.
Ungelogen, noch heute, 30
Jahre später, bekomme ich einen Klos im Hals, wenn ich mich an diesen traurigen Tag meines Lebens zurück erinnere!
Und jedesmal wenn ich
versetzt werde, bzw. was verpasse, habe ich dieses aufkeimende Gefühl in Hals und Magen ;)
Naja, zurück zur Abfahrt
;)
Ich lief also zum nächsten
Kiosk und fragte wo die Abfahrt meines Zuges wäre.
Er guckte auf die Tafel und
sagte;
„Oh Monsieur, sie sind
völlig falsch!
Sie müssen zu Gleis
6!“
Und zeigte auf die
Anzeigetafel!
Da stand wirklich aufeinmal
Gleis 6.
Ich spurtete also mit
diesem dämlichem, vollgequetschtem, mega nervig wippendem Rucksack am Rücken zurück zu „Halle 1“ 🙈.
Im Takt hörte ich immer das
dumpfe Geräusch des wippenden Rucksacks und diese dämliche Jakobsmuschel, welche ich mir als Erkennungszeichen laut meines Pilgerhandbuchs dran machen sollte, die andauernd gegen die
Laschen schepperte.
Nach diesmal nur 6 statt
10min, war ich wieder zurück. Genau an der Stelle wo ich vorher dieses ungenießbare Frühstück zu mir nahm.
Da war nämlich Gleis 6
....
Als ich sah das der Zug
noch da stand, war ich ziemlich erleichtert.
Die böse
Kindheitserinnerung war wieder verdrängt.
Ich ging zum Gleis und
....
Kam nicht
rein...
In Frankreich gibt es
anscheinend aus diversen Sicherheitsgründen Tore.
2 Metallflügel, die wie ich
später erfuhr, 2 min. vor Abfahrt schließen.
Na toll!
Ich konnte sogar noch die
Schaffnerin und die offenen Türen von dem Zug sehen!
Und dann fährt er mir vor
der Nase weg, weil ich nicht durch dieses dämliche Tor komme.
Danke liebe DB, das ich
schon gefühlte 50 Züge Last Second erwischen durfte, weil ihr nicht solche miesen Tore baut...
Zudem erfuhr ich, das ein
Gleis erst 20min. vor Abfahrt auf der Anzeigetafel erscheint, deswegen stand bei mir auch nur Halle 3, was vermutlich noch nicht mal auf meine Zug gemünzt war.
Normal würde ich das
verpassen meines Zuges nicht so ausschmücken, aber die Kettenreaktion dieses Geschehnisses war wundervoll ;)
Ich wusste schon was mich
traf, als ich zum Ticketschalter watschelte...
Wie die Damen am Vortag so
schön betonten:
„Herr Leonidis, die Karten
sind nicht stornierbar und von jeglicher Änderung ausgenommen.“
„Es fahren 3 Züge von Paris
nach St. Jean“
Machte also in Summe, 100
Euro zusätzlich für ein neues Ticket,3 Stunden Wartezeit am Bahnhof, zusätzlich noch eine Stunde längerer Aufenthalt in Bayonne, wo ich normal nach 45min. hätte umsteigen
können.
Fängt ja gut an der Mist
hier ;)
Anstatt um 16Uhr, war ich
dann um 20Uhr in St.Jean und ich habe eine Menge über das Treiben an französischen Bahnhöfen beobachten dürfen ;)
Als ich meiner Mama das
alles schrieb, meinte sie, das ich bestimmt fertig sei.
Naja , ich muss
wirklich gestehen, ich fand es letztendlich gar nicht sooo schlimm.
Klar man ärgert sich kurz,
aber sobald man sich im Kopf sagt, das du es eh nicht ändern kannst und das du bald eh ganz andere Probleme hast, konnte ich wirklich Spaß daran finden, die Menschen und ihr treiben so zu
beobachten.
Ich saß vor dem Bahnhof und
habe mit grinsender Miene die Leute beobachtet.
Als kleines Beispiel eine
markante und länger andauernde Situation, welche mich bestimmt1,5h ablenkte, war eine kleine Gruppe Promoter.
Ich sah sie schon am
Anfang, mit ihren roten T-Shirts, wie sie einen Halbkreis bildeteten und eine Dame den jungen Leuten vermutlich ein motivierendes Briefing einflößte.
Die Motivationsrede musste
Hammer gewesen sein , denn Minuten später schwärmten die 6 jungen Leute im Stechschritt nach links, rechts, gerade aus, in alle Richtungen.
Liefen auf eine Person zu
und wenn die abwinkte, drehten sie auf der Hacke um und in einem Affen Zahn in die andere Richtung um das selbe wieder durch zu führen.
Das ging bestimmt 10min. so
und ich dachte mir, wie lange die das Tempo noch so durchhalten mögen.
Und viel wichtiger, was
hatte die Dame denen erzählt das die für 10 Euro die Stunde, wie eine Terantel gestochen so rumrennen.
Mit so viel Energie und 100
Anquatschversuchen in der Minute, in Deutschland undenkbar ;)
Aber schon bald stellte
sich raus, das die deutsche Gründlichkeit der französischen Speedy Gonzales aufschreck Taktik um Längen voraus ist.
Viele Fehler wurden
begangen!
Ich bin nämlich jetzt
Experte im Anquatschen am Bahnhof!
Hab’s genau beobachten
können.
Man rennt nicht auf Leute
in ihren Laufweg zu, um mit erhobenem Zeigefinger sie um eine Minute zu bitten.
Man spricht keine Leute an, die
unter der Last ihres Gepäckes eh jede Sekunde zusammen zu brechen drohen.
Man geht nicht zu den hübschen,
die denken du wolltest ihnen einen Kompliment machen und wenn keins kommt, ziehen sie entrüstet von dannen ....
Sie waren blind und die
Antworten waren vor ihrer Nase !
Liebes Promotions-Team, warum
nicht die die Rauchen?
Die haben Zeit für ne
Konversation und laufen nicht weg,
warum nicht zu denen die drum
herum auf den Steinen sitzen, wie ich?
Gleiches Spiel wie mit den
Rauchern!
Warum nicht zu den älteren, die
freuen sich wenn sie mal ein Pläuschen am Rande führen können ;)
Also, wirklich super motiviert
an die Sache ran gegangen, aber an deutscher Ruhe und Gründlichkeit müsst ihr noch hart arbeiten 😂🙌🏻
Wie ihr seht, konnte ich also
wirklich viel fürs Leben lernen und habe meine Zeit sinnvoll genutzt ;)
In Bayonne angekommen , hatte
ich dann 2 Stunden Zeit, endlich mal was warmes und vernünftiges zu essen!
Bin in einen Dönerladen, da
kann man ja nicht viel verkehrt machen ;)
Als mir dann diese Menschen
auffielen!
Auf einmal waren sie alle
da!
Unverkennbar, mit ihren
Wanderschuhen, dem Trackingrucksack und der Muschel am Rucksack...
Ich war jetzt kein Bergsteiger
in der Stadt mehr, ich war jetzt dort, wo man uns alle eindeutig als Pilgerer erkennt.
Ich war jetzt einer von
Vielen...
Und ich muss sagen, der Gedanke
gefiel mir garnicht.
Sie kamen mir gespenstisch
vor.
Es war wie auf einem
Veganertreff, wo du Angst hast, das sie sehen das du ein Steak unterm Hut versteckst!
Ich habe mich also für das
einzig richtige entschieden:
Blickkontakt vermeiden, Gähnen
und Kopfhörer rein.
Ich war noch nicht bereit auf
dieses;
„Hey, where are you
from“
„You walk also the Camino,
awwweeeesome“
„Nice bag“
Und so nen Zeug
...
Ich will erstmal ankommen, mich
seelisch auf den Marsch vorbereiten und dann ist noch genug Zeit für das Pilgererlebnis mit tollen Bekanntschaften ;)
Vielleicht bin ich aber auch
einfach nur angespannt und kann momentan nicht mit Smal Talk umgehen, da ich Angst habe meinen Fokus zu verlieren...
Naja, die nächsten Tage werden
es zeigen, wie lange ich mich noch auf Abstand bewegen kann, bevor auch ich entgültig einer von ihnen werde... ;)
Der Zug in Bayonne ist dann
auch ausgefallen und so bin ich dann mit meiner Gruppe „der anonymen Spaziergeher“ im Bus bis nach St. Jean gefahren!
Da kam dann richtig Stimmung in
mir auf ;))
Um 20Uhr bin ich dann endlich
angekommen...
Schnell ne gemütliche kleine
Herberge gesucht!
Erstmal Einzelzimmer gebucht,
da ich wie gesagt, noch nicht bereit bin, mit den Fremdlingen zu verschmelzen und habe endlich den Blog vorzeigewürdig aufgefresht...
Praktisch hier.
Man muss um 10 im Bett sein,
denn da werden Türen abgeschlossen und Licht aus gemacht 🙈!
Hat man noch richtig schön Zeit
sein Tagebuch zu füllen ;)
Morgen gehts los.
Es soll
Gewittern...
Da es einer der schwierigsten
Etappen auf dem Weg ist und man 1400 Höhenmeter auf 27km macht, muss ich mich erstmal schlau machen, ob man den so laufen kann.
Angeblich sind da schon Leute
im Winter und bei Nebel umgekommen..
Also lupenreiner Hattrick für
die ersten 3 Tage und die entsprechenden Schwierigkeiten!
Kann nur besser werden
;)
Dennoch bin ich neugierig, ich
hab nach wie vor Lust und werde mal schauen, was so raus zu holen ist ...
Ich bin jetzt hier und habe
nicht vor ohne was zählbares zurück zu kehren!
Gehen wir es
an...
Anekdote des Tages:
Wenn ich zurückkehre werde ich Promoterberater